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Lektionen


von Ian McEwan

 
Die Herbstneuerscheinung unter den Romanen dieser Literatursaison! Eine brillante Erzählung! Ich war ein Wochenende Teil der Familie von Roland. Alle Menschen dieses Romanes sind und werden mir lange präsent (sein).

Zudem sind deren Lebensläufe eingebettet in die jüngste Geschichte Europas, v.a. von England und Deutschland, ausgehend vom Ende des 2. Weltkriegs bis ins heutige 2022.

Oder, wie es der Verlag auf den Punkt bringt:

Ian McEwan erzählt das Auf und Ab eines ganzen Menschenlebens. Eine Meditation über den Einfluss der großen Geschichte auf unser kleines Schicksal, über verpasste Chancen, verschlungene Wege und das, was bleibt. (Diogenes Verlag)

Inhalt Verlagsbeschreibung:

Roland wächst als Sohn eines britischen Armeeoffiziers in Libyen auf. Es ist ein Schock, als er mit elf Jahren nach England ins Internat geschickt wird, zweitausend Meilen von seiner Mutter entfernt. Dort macht er, viel zu jung, eine Begegnung, die tiefe Wunden hinterlassen wird. Und die Erinnerung an eine Liebe, die niemals verblasst. Als junger Mann lässt sich Roland durchs Leben treiben, er hat vielfältige Talente, aber keine großen Ambitionen, und hangelt sich von einem Job als Texter und Barpianist zum nächsten, von einer Frau zur nächsten. Bis er beim Deutschunterricht im Goethe-Institut Alissa Eberhart kennenlernt, eine Frau mit einer umwerfenden Sinnlichkeit, deren Willen, etwas zu werden und zu erschaffen, aber stärker ist als er – und sogar stärker als die Familie, die sie zusammen gründen. Von der Kindheit bis zum hohen Alter, von der Suez- über die Kubakrise, den Fall der Berliner Mauer bis hin zu Pandemie und Klimawandel.

Diogenes, Hardcover Leinen, 720 S., EUR 32.-

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Spitzweg


von Eckhart Nickel

Ein kunstvolles Versteckspiel, eine Bildungssatire!

Mit viel Raffinesse und voller Anspielungen und den gestelzt sprechenden und handelnden Personen, kommt einem das Ganze absolut übertrieben und "aus der Zeit gefallen" (Zitat aus dem Roman) vor. Und trotzdem, oder deswegen: ein Lesevergnügen und eine Abfrage des klassischen Wissens und Kunstverständnisses bzw. ein Abgesang auf dieses.

"Ein regressiver Flirt mit dem Biedermeier" so bezeichnet es Ijoma Mangold und weiter: "So viel gespreizter Finger war selten in der deutschen Gegenwartsliteratur"

Handlung:

Schauplatz der Geschichte ist ein humanistisches Gymnasium. Eine Mitschülerin, Kirsten, bekommt im Kunstunterricht der Oberstufe, von ihrer Lehrerin als Kommmentar zu ihrem Selbstporträt: "Mut zur Hässlichkeit", was diese absolut verstört und kränkt. Zwei Mitschüler, der bornierte Carl und Kirstens Banknachbar, der Ich-Erzähler, beide Anhänger klassischer Kunst, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven, schmieden einen Racheplan. Die Mitschülerin wird verschwinden und kunsthistorisch aufgeladene Bildbotschaften senden, um der Lehrerin für ihr Fehlverhalten einen gehörigen Schrecken einzujagen. Es beginnt ein intelligentes Versteckspiel.

Die zwei Jugendliche sind "im vorteilhaftesten Sinne aus der Zeit gefallen."  Auf dem Buchcover ist das Spitzweg-Gemälde "Der Hagestolz" abgebildet, der für die Romanfigur des Carl steht. Auch er ist ein solcher Sonderling, der sein ganzes Leben der Kunst verschreiben will, bewußt in Abgrenzung bürgerlichen Lebens und gesellschaftlicher Konventionen.

Auch weitere Figuren berühmter Gemälde tauchen im Laufe der Handlung als Symbole auf. Sie alle stehen als Botschaften für das Handeln der Protagonist:innen, aber auch im übergeordenten Sinn für die Frage des Verhältnisses von Kunst und Alltagsleben.

Wie auch immer, in der Gesamtheit führt es "einfach" zu einem intelligent komponierten Roman.

Piper, 256 Seiten, 22 EUR

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Jahre mit Martha


von Martin Kordić

 
Ein wunderbarer Roman! Einerseits zart: eine Liebes- und Entwicklungsgeschichte, andererseits heftig: eine Suche nach Anerkennung und eine Auseinandersetzung mit Herkunft und Sozialisation, sowie eine Geschichte der Machtverhältnisse und trotzdem auch leicht und humorvoll geschrieben. Es war am Schluss alles gesagt bzw. geschrieben, wenn auch nur zwischen den Zeilen. Und das st das einzige, das ich mir noch gewünscht hätte.....

Inhalt:

Ein ungleiches Paar in einer ungleichen Gesellschaft:
Die Geschichte beginnt in den späten Neunzigerjahren im Westen Deutschlands. Zeljko, der von allen "Jimmy" genannt wird, ist fünfzehn, als er sich in Martha verliebt. Sie ist Professorin in Heidelberg, er lebt mit seinen Eltern und Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Sein Vater ist auf Baustellen, seine Mutter hat verschiedene Putzstellen. Martha hat, was Zeljko sich sehnlichst wünscht: Bücher, Bildung und Souveränität. Mit Martha besucht er  zum ersten Mal ein Theater, sie spricht  mit ihm, wie sonst niemand mit ihm spricht. Mit Marthas Liebe wächst Zeljkos Welt. Sie ermöglicht ihm ein Studium, er findet einen Mäzen in ihr und auch an der Uni. Doch welche Welt ist es, die er betritt, und wen lässt er dafür zurück? Wie bekommt er die verschiedenen Welten zusammen? Er erlebt Höhen und Tiefen, findet sich überall und trotzdem nirgends zurecht.

Ein zärtlicher und mitreißender Roman über Machtverhältnisse und über die Frage nach dem Gleichgewicht der Welt.

Fischerverlage, 286 S., EUR 24.--

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Die Tochter des Kommunisten

 

von Aroa Morena Durán

Gänzlich ohne etwas über den Inhalt zu wissen, bin ich an diesen Roman herangegangen. Ich hörte bzw. las nur dass es sich um einen preisgekörnten Roman einer in ihrer Heimat Spanien hochgelobten Autorin handelt. Ich war dann auch überrascht, in welche Richtung sich das Leseerlebnis bewegte.

Inhalt:
Es ist ein Roman über eine Familie, die aus dem faschistischen Spanien geflohen und voller Hoffnung in eine gute Zukunft in der DDR landet und an ihren Illusionen zerbricht.

Erzählt wird die Familiengeschichte aus der Sicht der Tochter, die in der Nachkriegszeit in Ostberlin aufgewachsen ist. Als Jugendliche ist sie hin- und hergerissen, zwischen ihrer Heimat, Ostdeutschland, ihrer engen Verbundenheit zu ihrer Familie - und, den Freiheiten, die der Westen und die Liebe ihr versprechen.

Flucht und Emigration, das ist das eigentliche Thema des Romans, die Zerissenheit vor allem des Vaters. Er muss aus politischen Gründen sein Land verlassen, um sein Leben zu retten. Er ist und war immer Idealist, ein Kämpfer für den Kommunismus. Er floh vor dem faschistischen Systems Francos 1938 aus Spanien, die genauen Hintergründe bleiben verschwommen. Für ihn steht der neue Staat DDR für alles, wofür sie in ihrer Heimat Spanien gekämpft haben. Die Mutter kam erst 8 Jahre später nach. Von all dem sollen die Töchter nichts wissen. Vielleicht ist dies der große Fehler den die Eltern begehen, dieses Schweigen über die Vergangenheit, die aber stetig präsent ist, im Leben der Familie und auch in diesem Roman. Wir lesen davon vor allem zwischen den Zeilen, und das ist das Geniale an diesem Roman.


Originaltitel: La hija del comunista
btb Verlag, 176 S., Hardcover mit Schutzumschlag, EUR 22.--

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Aufruhr der Meerestiere

 

von Marie Gamillscheg

Es geht um Sichtbarkeit, Verletzlichkeit und Einsamkeit.

Inhalt:

Luise ist klug, Luise ist unabhängig, Luise ist eine Insel.

Als Meeresbiologin hat Luise sich einen exzellenten Ruf erarbeitet, ihr Spezialgebiet: die Meerwalnuss, eine geisterhaft illuminierte Qualle im Dunkel der Ozeane. Eine, durch ihre schnelle massenhafte Verbreitung und Verdrängung anderer Arten, als Plage eingestuft.

Die eigentümliche Faszination von Luise für diese Quallenart, steht sinnbildlich für ihre, Luises, persönlichen und familiären Probleme:

Öffentliche Auftritte bewältigt sie nur mit Mühen, seit Kindheit leidet sie unter Esstörungen und Neurodermitis. Ekel und Faszination bezüglich Äußerlichkeiten liegen nahe beieinander, sie reagiert geradezu körperlich auf alle nicht routinegesteuerten Tätigkeiten. Ihre Beziehungen zu Familienmitgliedern und Freund:innen, Kolleg:innen stellen sie vor große Herausforderungen. Fast ist es bei ihr wie bei ihren Quallen: sie ist hautsensibel, wäre am liebsten fast unsichtbar und geschützt durch den Verband mit anderen.

Als Luise für ein Projekt mit einem renommierten Tierpark nach Graz reisen soll, zögert sie nicht lange, dort könnte sie sich wieder erden.

Doch Graz, das ist auch ihre Heimatstadt, das ist die Wohnung ihres abwesenden und plötzlich erkrankten Vaters. Und das ist die Geschichte einer jahrelangen Sprachlosigkeit und Fremdheit zwischen ihnen.

Sehr intensives Buch. Dicht erzählt ohne Höhen- und Tiefpunkte.
Luchterhand 297 S., EUR 22.--

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Elizabeth Finch


Der neue Roman von Julian Barnes bietet zu meiner größten Freude, wieder Vieles an, worüber es sich lohnt länger nachzudenken. Oft nur einzelne Sätze, die es aber in sich haben. Und: Julian Barnes ist a. intelligent und kann b. einfach schreiben! Was will man mehr?

 

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Ein Roman über eine platonische Liebe und den Tod einer besonderen Frau, der zum Anlass für die tiefere Auseinandersetzung eines Mannes mit Liebe, Freundschaft und Biografie wird.

Neil, gescheiterter Schauspieler, Vater und Ehemann, besucht an der Abenduni eine Vorlesung zur Kultur und Zivilisation und ist fasziniert von der stoischen und anspruchsvollen Professorin Elizabeth Finch. Er hat zwar Affären und Liebeleien, doch prägt das Ringen um ihre Anerkennung sein Leben. Auch nach Beendigung des Studiums bleiben die beiden in Kontakt. Als sie stirbt, erbt Neil ihre Bibliothek und Aufzeichnungen - und stürzt sich in ein Studium Julian Apostatas, der für Elizabeth Finch ein Schlüssel zur Bedeutung von Geschichte an sich war: Der römische Kaiser wollte im 4. Jahrhundert das Christentum rückgängig machen. Wer war Julian Apostata? Und was wäre passiert, wenn er nicht so jung gestorben wäre? Der Schlüssel zur Gegenwart liegt nicht selten in der Verhangenheit, das zeigt dieser kenntnisreiche Roman auf unnachahmliche Weise.

Das Buch ist eine intelligente Hommage an die Philosophie, ein Ausflug in die Geschichte, eine Einladung, selbst zu denken.

Kiepenheuer&Witsch, 240 S., EUR 24.--
Erscheinungstermin: 03.11.2022

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Ich bin nicht da


von Lize Spit
Roman

Eine packende Geschichte, spannend zu lesen, fast wie ein Thriller, aber mit sehr ernstem Hintergrund: Denn es geht um eine junge Frau, die zusehen muss, wie ihre große Liebe von einer psychischen Krankheit geradezu verschlungen wird. Ein großer Roman über Liebe und Schmerz, so authentisch geschrieben, dass man beim Lesen de Öfteren in Versuchung gerät, in die Handlung eingreifen zu wollen.

Verlagsbeschreibung:

Nach ihrem aufsehenerregenden Debüt »Und es schmilzt« ist Lize Spits zweiter Roman noch nervenzerreißender, noch emotionaler und noch persönlicher.

Handlung:

Leo ist seit zehn Jahren mit Simon zusammen. Er ist der wichtigste Mensch in ihrem Leben, und viele andere sind da auch nicht. Eines Nachts kommt Simon wie ausgewechselt nach Hause, völlig überdreht, mit neuer Tätowierung, neuen Freunden, neuen Zukunftsplänen. Er schläft immer weniger und wird zunehmend paranoid. Eine manische Episode hat Leos große Liebe fest im Griff. Als sie begreift, wozu Simon jetzt fähig ist, ist es vielleicht zu spät. Zu lange hat Leo alles für ihn aufs Spiel gesetzt. Nun bleiben ihr genau elf Minuten, um eine Tragödie zu verhindern, die nicht nur ihr Leben für immer verändern würde.

S. Fischer, 576 Seiten, EUR 26.--

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Als die Welt zerbrach


von John Boyne

Roman

Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits hat der Roman mich gefesselt, andererseits war es von allem ein bisschen zu viel. Genauso ging es mir schon bei der Ankündigung dieser "Fortsetzung" des großartigen Buches "Der Junge im gestreiften Pyjama". Es war und ist ein wichtiger, einzigartiger Roman, eine Fortsetzung verbietet sich da eigentlich, v.a. nachdem der Protagonist einen unvermeidlichen Tod gestorben ist, es erzeugt Gänsehaut. Andererseits war ich auch darauf gespannt, wie der Autor die Geschichte der Familie weiterspinnt. Und so ist dieser Roman zu bewerten.

John Boyne ist ein großartiger Autor, deshalb gelingt es ihm auch so gut, Spannungsbögen aufzubauen und einen bis zum Schluss in seinen Bann zu ziehen. Das birgt die Gefahr in sich, wie z.B. hier in diesem Roman geschehen, manchmal über die Stränge zu schlagen. Als hätte die zentrale Frage von Schuld und Unschuld nicht ausgereicht, es kommen zum wirklichen tragischen Geschehen noch hinzu: eine grenzenlose Naivität der nach Frankreich geflüchteten Mittäterinnen, Zufälle, die unglaubwürdig erscheinen, dann in der Gegenwart der erzählten Zeit, ein Mann der seine Frau und seinen Sohn unterjocht und schlägt, Erben, die ihre Mütter aus Profitstreben möglichst schnell in ein Altersheim verfrachten wollen, Erpressung, Verschwörung und ein Todesfall... Langweilig wird der Roman nie!

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

1946. Drei Jahre nach dem katastrophalen Ereignis, das ihre Familie zerriss, fliehen eine Mutter und ihre Tochter von Polen nach Paris. Blind vor Sorge und Schuldgefühlen ahnen sie nicht, wie schwer es ist, der Vergangenheit zu entkommen.

Fast achtzig Jahre später führt Gretel Fernsby in ihrem Londoner Villenviertel ein ruhiges Leben, Welten entfernt von der traumatischen Kindheit. Als eine junge Familie in die Wohnung unter ihr zieht, hofft sie, dass die eingespielte Hausgemeinschaft nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Doch der neunjährige Henry weckt Erinnerungen, denen sie sich nicht stellen will. Gretel steht plötzlich vor der Wahl zwischen ihrer eigenen und Henrys Sicherheit. Gewinnt die Verantwortung, oder macht sie sich mitschuldig, wie damals? Wenn sie jetzt eingreift, riskiert sie, Geheimnisse preiszugeben, die sie ein Leben lang gehütet hat …

Psychologisch höchstpräzise erzählt John Boyne davon, wie sich eine nicht eingestandene Schuld zu einer zerstörerischen Kraft entwickelt, die mit jedem verstreichenden Lebensjahr schwerer wiegt.
 
„Der Roman, in dem mosaiksteinhaft ein Leben bilanziert wird, wandelt sich am Ende noch rasant zum Krimi.“ - rbb Kultur „Der Morgen“

Piper Verlag, 416 S., EUR 24.--

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Das Gesetz der Natur


von Solomonica de Winter

Ein archaischer Roman. Vom Verlag als "Fantasy-Roman" bezeichnet. Das sehe ich nicht so. Ich bin an einem regnerischen Wochenende trotzdem, oder deswegen, in das Buch versunken und konnte es nicht mehr aus der Hand legen.

Inhalt:
In Neuamerika leben die Menschen nach dem Gesetz der Natur. Auch Gaia Marinos muss sich diesen Regeln beugen. Versteckt in den Wäldern lebt sie das Leben einer Aussätzigen und hat den anderen doch eines voraus: In einer Welt ohne schriftliche Aufzeichnungen kann sie lesen. Als sie in Gefangenschaft gerät, rettet ihr diese Fähigkeit das Leben. Gaia macht es sich zur Aufgabe, die letzten Bücher der Erde zu finden, doch als diese Mission zu scheitern droht, muss sie sich entscheiden: Wie weit ist sie bereit zu gehen?

Diogens, Hardcover Leinen, 608 S., 25 EUR

erschienen am 28. September 2022

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Auf See

 

von Theresia Enzensberger

Theresia Enzensbergers Roman erzählt von den utopischen Versprechen neuer Gemeinschaften. Aktuell: "Vineta" von diesem fiktiven Projekt erzählt der Roman.

Die Seestatt, das alternative Lebensprojekt von Nicholas Verney, ist Heimat der jungen Tochter des Gründers, Yada. Sie ist dort aufgewachsen, lebt dort und erzählt von ihrem Alltag.

Im zweiten Erzählstrang wird ein Bild der Menschen gezeichnet, die, vom Untergang geweiht, jenseits der Insel leben. Beide Erzählstränge sind durch die erzählenden Personen verbunden, was sich im Laufe der Handlung herauskristallisiert. Unterbrochen werden die Handlungsstränge durch die sogenannten Aufzeichnungen aus dem Archiv. Und das ist für mich eigentlich der interessanteste Part.

Inhalt:

Der Wissenschaftler, Nicholas Verney, initiiert, als Antwort auf Klimakatastrophen, ein alternatives Lebensprojekt: er lässt eine Insel bauen. Die Erzählung setzt ca. 15 Jahre danach ein. 

Das Projekt, dem nachhaltigen Leben und Wirtschaften verpflichtet, wird beschrieben als ein architektonisches Wunderwerk: Vierzig wie Waben miteinander verbundene Einheiten und Gemeinschaftsstationen, in der Ostsee verortet, zwischen Küstenmeer und hoher See. Um die Insel herum, ein mächtiger Wellenbrecher, dahinter Windräder. Die Gemeinschaft sollte autark vom Festland sein. Sie bekam den Namen "Vineta". Verney stellte hochkarätige Wiss188enschaftler:innen  ein, die vor Ort Forschung zu verschiedenen nachhaltigen Projekten der Insel betreiben sollten; er holte Mediziner an Bord, die die Bewohner mit speziellen Biohacking-Kuren versorgen sollten. Nicht zuletzt wurde es ein großes Finanzierungsprojekt. Doch schon nach wenigen Monaten drangen Berichte über Unstimmigkeiten zwischen fast allen Beteiligten an die Öffentlichkeit. Übrig blieb auf Vineta ein harter Kern aus Waffenliebhabern, Utopisten und Preppern. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Geschichte um Yada und die anderen Protagonisten jenseits der Insel, deren Leben, deren Scheitern und den Verbindungen zwischen den Menschen.

Im Archiv, dem "Sachteil" des Romans berichtet die Autorin in essayistischem Stil, über andere utopische Projekte, wie dem "New Atlantis" von Leicester Hemingway, dem Projekt "Green Mountain" von Darwin, dem "Königreich Poyais" des Betrügers Gregor MacGregor, dem Inselstaat "Nauru", von "Scientology" und natürlich "Libertatia".

Insgesamt alles interessant. Mir fehlte die Tiefe in den Erzähltexten und der Anlage der Figuren, die doch alle sehr blass geblieben sind. Aber durchaus lohnenswert zu lesen, v.a. aufgrund von Denkanstössen über Möglichkeit und Scheitern alternativer Lebenskonzepten.

Hanser Verlag, 269 S., EUR 24.--

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Unschuld


von Takis Würger


Takis Würger's Werke sind gekennzeichnet durch eine sehr reduzierte Sprache. Dazu exemplarisch der Roman "Der Club", der mich damals sehr beeindruckt hat.

Die Handlung und die Protagonisten waren authentisch, das Ganze wurde mit, eigentlich typisch britischem, Humor angereicht. Die Stoffe dieTakis Würger für die Romane danach ausgewählt hat, vor allem mit "Stella" konnten nicht überzeugen, stießen teilweise auch auf herbe Kritik, da seine Art zu erzählen, den Umständen nicht gerecht werden konnte. Die Figuren blieben deshalb blaß, ihre Handlungen unreflektiert, verharmlosend.

Jetzt ein neuer Roman, der mich leider auch wieder nicht hundertprozentig überzeugt hat. Es sind auch wieder starke authentische Protagonist:innen keine Frage, aber die Handlung hat Schwächen, v.a. das vorhersehbare Ende.


Handlung:

Molly Carver bleiben fünfunddreißig Tage, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Seit Jahren sitzt er für den Mord an dem sechzehnjährigen Casper Rosendale im Gefängnis – nun soll das Urteil vollstreckt werden. Auf der Suche nach Antworten kehrt Molly zurück in das Ostküstendorf ihrer Kindheit. Unter falschem Namen beginnt sie, als Hausmädchen für die Rosendales zu arbeiten, eine Familie, die einmal einflussreicher war als die Rockefellers.


Emotional und eindringlich zeichnet Takis Würger das Portrait einer Gesellschaft voller Widersprüche und zeigt uns, was sich wirklich hinter den schillernden Fassaden dieser Welt abspielt.

Penguin Verlag, 304 S., EUR 22,00
Erscheint am 26. Oktober 2022

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Dagegen die Elefanten!

 

von Dagmar Leupold

Ein leises Buch über einen stillen Mann!

Der tragische wie komische Held dieser hinreißend erzählten Geschichte ist ein Held des Alltags, ein Mann in Dienstkleidung, einer, der den Menschen etwas abnimmt, einer, dem es niemand dankt.

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Herr Harald ist der Mann in der Garderobe. Er gehört zum Theater wie der Vorhang, aber das Rampenlicht ist für andere. Eines Abends bleibt ein Mantel zurück, in dem Herr Harald eine Pistole findet. Was will er damit tun? Er kann sich schlecht gegen alles zur Wehr setzen, was ihm an der Welt und den Mitmenschen als Zumutung erscheint. Aber vielleicht kann er ihre Aufmerksamkeit auf jemanden lenken, der wie er ein Schattendasein führt: die Frau, die für einen anderen die Noten umblättert und die er aus der Ferne verehrt.

Und gäbe es die Literatur nicht und Autorinen wie Dagmar Leupold, wie sollten wir wissen, was für ein Reichtum an Gedanken und Gefühlen, wie viel waches Leben und wehe Sehnsucht sich dahinter verbirgt. (Der Verlag)

Dem kann ich nur zustimmen!

JungundJung, 272 S., EUR 23.--

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Der letzte weiße Mann

 

von Mohsin Hamid

Ein wichtiger Autor! Ein wichtiges Buch! Eine Geschichte vom Ende des Rassismus

Handlung:

Als Anders eines Morgens erwacht, stellt er fest, dass er sich verwandelt hat: Er ist nicht mehr weiß. Vollkommen erschüttert schließt er sich in seiner Wohnung ein, meldet sich krank. Nur Oona erzählt er von seiner Verwandlung, einer guten Freundin und gelegentlichen Geliebten. Irgendwann wagt er sich wieder hinaus in die Welt und zur Arbeit. »Wenn mir das passiert wäre, ich hätte mich umgebracht«, sagt sein Chef.

Immer mehr Berichte über ähnliche Verwandlungen tauchen auf: Die weiße Mehrheit im Land scheint zur Minderheit zu werden. Und sie fühlt sich bedroht. Steht ein Umsturz der bestehenden Ordnung bevor? Bald herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände in der Stadt. Oona, mittlerweile selbst verwandelt, steht Anders zur Seite, in den Wirren dieser Zeit werden sie zu einem Liebespaar. Schließlich gibt es kaum mehr weiße Menschen in der Stadt, Anders’ Vater stirbt schwerkrank als der letzte weiße Mann. Die Unruhen klingen ab – aber gelingt es den Menschen nun, einander wirklich zu sehen?
Was bedeutet es, weiß oder nicht weiß zu sein, und vor allem: Was bedeutet es, von der vermeintlichen Norm abzuweichen? In ›Der letzte weiße Mann‹ stellt der Kosmopolit Mohsin Hamid in seiner unvergleichlich eindringlichen Prosa die großen Fragen zum Thema Rassismus – und zum Thema Menschlichkeit.

DuMont Literaturverlag, 160 Seiten, gebunden mit Lesebändchen, 160 S., EUR 22.-- Originalverlag: Riverhead, 2022, Originaltitel: The Last White Man
Deutsche Erstausgabe Erscheinungstag: 16.08.2022

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Wilderer


von Reinhard Kaiser-Mühlecker

Ein Dorfroman.

Da ich absolut begeistert von Dörte Hansens: Mittagsstunde war und bin, ebenso wie von dem im letzten Jahr nominierten Roman für den Deutschen Buchpreis: "Mitgift von Henning Ahrens", Juli Zeh nicht zu vergessen, haben es andere Romane, die im ländlichen Milieu spielen, bei mir schwer.

Bei diesem Roman, so authentisch das dörfliche und v.a. bäuerliche Leben mit allen Problemen, aber auch Entwicklungsmöglichkeiten, geschildert wird, fehlt es mir an Glaubwürdigkeit der Personen. Die Motive z.B. der Künstlerin aus der Stadt, Bäuerin zu werden, werden nur schwach beleuchtet, Jakobs Gleichgültigkeit gegenüber Dingen und Tieren, v.a. Hunden, die zu funktionieren haben auch gegen ihren Trieb, lässt sich auch auf seinen Umgang mit Menschen übertragen. Das ist auf jeden Fall die interessantere Figur im Roman.

Inhalt:

Jakob wächst in einer traditionell geprägten Welt in Oberösterreich auf und übernimmt früh die Verantwortung für den Hof. Der Vater ist ein Phantast, und die Großmutter droht, das „Judengeld“ der „rechten Partei“ zu vermachen, wie sie sagt. Die Schwester sitzt untätig herum und lässt sich bedienen. Erst als er Katja, eine Künstlerin aus der Stadt, kennenlernt, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Doch es schwebt etwas fast Ungreifbares über den Menschen und dem Hof, das sich in Jakobs Ausrastern gegenüber seinen wildernden Hunden manifestiert.

S. Fischer, 352 S., EUR 24.--

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153 Formen des Nichtseins


von Slata Roschal

Ein Debütroman über Identität, Migration, Außenseitertum, Weiblichkeit und die Frage nach dem Sein, voll bissigem Humor, Reflexionen und Selbstreflexionen, Alltagsszenen, Fragmente in einer Kollage zusammenführend.

Verlagsbeschreibung:

Ksenia ist Russin, sie ist Deutsche, sie ist Jüdin, sie ist unter Zeugen Jehovas aufgewachsen, sie ist eine junge Frau, Mutter, Schriftstellerin und Wissenschaftlerin – das alles ist sie und gleichzeitig ist sie nichts davon. Bei der Erforschung des eigenen Identitätspluralismus sammelt sie Ebay-Anzeigen, die das Wort »russisch« enthalten, beobachtet russische Mütter in der Stadt und israelische Verwandte auf Facebook, besucht arabische Läden, dolmetscht in einer Psychotherapie für Flüchtlinge, erinnert sich immer wieder an einen traumatischen kindlichen Zustand von Orientierungslosigkeit und Fremdbestimmung, betastet misstrauisch ihren Körper und fragt sich nach Definition und Wert des eigenen Daseins.

Pressestimmen:
"Die Zerissenheit der Ich-Erzählerin zeigt sich in einer einzigartigen Stilistik. Der Roman ist eine überwältigend komponierte Collage.« — Anke Jahns, NDR 1 Radio MV – Kulturjournal, 14. September 2022. Quelle Verlag homunculus

homuncules, 176 S., EUR 22.--
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Blutbuch


von Kim de l'Horizon

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Die Erzählfigur in "Blutbuch" identifiziert sich weder als Mann noch als Frau. Aufgewachsen in einem schäbigen Schweizer Vorort, lebt sie mittlerweile in Zürich, ist den engen Strukturen der Herkunft entkommen und fühlt sich im nonbinären Körper und in der eigenen Sexualität wohl. Doch dann erkrankt die Großmutter an Demenz, und das Ich beginnt, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: Warum sind da nur bruchstückhafte Erinnerungen an die eigene Kindheit? Wieso vermag sich die Großmutter kaum von ihrer früh verstorbenen Schwester abzugrenzen? Und was geschah mit der Großtante, die als junge Frau verschwand? Die Erzählfigur stemmt sich gegen die Schweigekultur der Mütter und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutslinie.

Dieser Roman ist ein stilistisch und formal einzigartiger Befreiungsakt von den Dingen, die wir ungefragt weitertragen: Geschlechter, Traumata, Klassenzugehörigkeiten. Kim de l’Horizon macht sich auf die Suche nach anderen Arten von Wissen und Überlieferung, Erzählen und Ichwerdung, unterspült dabei die linearen Formen der Familienerzählung und nähert sich einer flüssigen und strömenden Art des Schreibens, die nicht festlegt, sondern öffnet.
Ein Befreiungsakt von den Dingen, die ungefragt weitertragen werden: Geschlechter, Traumata, Klassenzugehörigkeiten.


DuMont,  336 S., EUR 24.--

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Kummer aller Art


von Mariana Leky

Mariana Leky wurde durch ihren Roman "Was man von hier aus sehen kann" zurecht bekannt, er wurde sogar verfilmt. Der Film wird ab 5. Januar 2023 in den deutschen Kinos zu sehen sein. Den anderen Werke der Autorin wurde kaum Beachtung zu Teil, vielleicht schaffen es die vorliegenden Kurzgeschichten. Ich fand den Band genial. Ein Buch, das man für die kleinen Momente, die einem an einem normalen Arbeitstag zum Lesen bleiben, bereitlegen sollte. Ein "Zwischendurch"-Buch.

Verlagsbeschreibung:  

»Alle wirken innerlich blitzblank, nur in unserem Inneren sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa«, denkt sich Kioskbesitzer Armin, als er vergeblich versucht, erfolgreich zu meditieren. Und auch im Inneren der anderen Figuren dieser literarischen Kolumnen herrscht Unordnung: Frau Wiese kann nicht mehr schlafen, Herr Pohl ist nachhaltig verzagt, Lisa hat ihren ersten Liebeskummer, Vadims Hände zittern, Frau Schwerter muss ganz dringend entspannen, ein trauriger Patient hat seine Herde verloren, und Psychoanalytiker Ulrich legt sich mit der Vergänglichkeit an. Kummer aller Art plagt die Menschen, die sich, mal besser, mal schlechter, durch den Alltag manövrieren. Aber der Kummer vereint sie auch, etwa, wenn auf Spaziergängen Probleme zwar nicht gelöst werden, aber zumindest mal an die Luft und ans Licht kommen.

Klug, humorvoll und mit großem Sinn für Feinheiten und Absurditäten porträtiert Mariana Leky Lebenslagen von Menschen, denen es nicht an Zutraulichkeit mangelt, wohl aber am Mut zur Erkenntnis, dass man dem Leben nicht dauerhaft ausweichen kann.

Die in ›Kummer aller Art‹ versammelten Texte erschienen erstmals als Kolumnen in PSYCHOLOGIE HEUTE.

Dumont, gebunden mit farbigem Vorsatz und Lesebändchen, 176 S., EUR 22.--

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Nebenan


von Kristine Bilkau

Ein weiterer Dorfroman, nach Dörte Hansen, Juli Zeh, Henning Ahrens,... der von Alteingessenen und Neuhinzugezogenen auf dem Land handelt, den alltäglichen Situationen, ergänzt durch wahre und vermutete Bedrohungen. Eigentümlich kalt und oberflächlich werden die menschlichen Beziehungen aufgeblättert. Vielleicht liegt darin die Kunst, die den Roman auf die Longlist gebracht hat?

Inhalt:

Ein kleiner Ort am Nord-Ostsee-Kanal, zwischen Natur, Kreisstadt und Industrie. Mitten aus dem Alltag heraus verschwindet eine Familie spurlos. Das verlassene Haus wird zum gedanklichen Zentrum der Nachbarn. Sie alle kreisen wie Fremde umeinander, scheinbar unbemerkt von den Nächsten, sie wollen Verbundenheit und ziehen sich doch ins Private zurück. Ihre Wege kreuzen sich, ihre Geschichten verbinden sich miteinander, denn sie suchen, wonach wir alle uns sehnen: Geborgenheit, Zugehörigkeit und Vertrautheit.

Luchterhand verlag, gebunden, 287 S., EUR 22.--

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Zur See


von Dörte Hansen

Erscheint 28.9.22

Der lang erwartete dritte Roman von Bestsellerautorin Dörte Hansen.

Woher kommt unsere Liebe zum Meer und die ewige Sehnsucht nach einer Insel?

Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.

Klug und mit großer Wärme erzählt Dörte Hansen vom Wandel einer Inselwelt, von alten Gesetzen, die ihre Gültigkeit verlieren, und von Aufbruch und Befreiung.

Penguin Verlag, gebunden, 256 S., EUR 24.-

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Doppelleben


von Alain Claude Sulzer

Ein fiktional erzählter biographischer Roman über die letzten Jahre der Brüder Goncourt und das Doppelleben ihrer Haushälterin, inmitten von Glanz und Elend im Paris zu Zeiten Napoleons III. Vor diesem Hintergrund durchaus interessant.

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Der Roman nimmt uns mit zu Jules und Edmond de Goncourt, die alles teilten: das Haus, die Gedanken, die Arbeit, die Geliebte. Zu zweit gingen sie zum Treffen mit Flaubert, Zola und anderen Künstlern ins Palais der Cousine des Kaisers, in Ausstellungen und zu Restaurantbesuchen mit Freunden und Bekannten. Und danach lästerten sie ab über alle, die sie getroffen hatten, im geheimen Tagebuch, das sie gemeinsam führten. Berühmt-berüchtigt waren sie für ihren Blick, dem angeblich nichts entging, und ihre spitze Feder, die alles notierte. Bis Jules unheilbar erkrankte …

Und der Roman nimmt uns mit in die Gegenwelt: zu Rose, ihrer Haushälterin, die zum Hausstand gehört wie ein Möbelstück. Die unbemerkt von den Brüdern existenzielle Dramen durchlebt, sich hoffnungslos in den Falschen verliebt und von ihm schamlos ausgenutzt wird, die ein Kind austrägt, ohne dass die Brüder es bemerken, es gebiert, liebt und später auch verliert; die Trinkerin wird und ihre Dienstherrn hintergeht und bestiehlt, ohne dass diese es merken. Bis sie stirbt und den Brüdern ein Licht aufgeht … zwei Lebensläufe, die grundsätzlich anders kaum sein könnten.

Galiani Berlin, 304 S., EUR 23.--

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Die Erweiterung


von Robert Menasse


Erscheinungstermin: 10.10.2022

Ein EU-Roman s.a. "Die Hauptstadt"

Zwei Brüder, nicht leibliche Brüder, sondern »Blutsbrüder«, verbunden durch einen Schwur, den sie im polnischen Untergrundkampf gegen das kommunistische Regime geleistet haben, gehen nach dessen Zusammenbruch getrennte Wege. Der eine, Mateusz, steigt in höchste Ämter auf und wird schließlich polnischer Ministerpräsident. Der andere, Adam, macht nach dem EU-Beitritt Polens in der Europäischen Kommission Karriere, in Brüssel ist er zuständig für die Erweiterungs-Politik. Während die Vorbereitungen für die Westbalkankonferenz im polnischen Poznan auf Hochtouren laufen, bittet Adam Mateusz um Unterstützung, doch der beginnt das Beitrittsgesuch Albaniens zu unterminieren. Aus der einstmals tiefen Verbundenheit wird eine unversöhnliche Feindschaft von europäischer Dimension. Auf einer vom albanischen Ministerpräsidenten organisierten Kreuzschifffahrt auf der SS Skanderbeg, zu der er alle Regierungschefs der Balkanstaaten, die EU-Außenminister und sämtliche Vertreter der Europäischen Union eingeladen hat, treffen die Beiden wieder aufeinander. Was dann passiert, steht längst nicht mehr in ihrer Macht.

Der politische Konflikt der beiden Blutsbrüder ist aber nur der Rahmen, innerhalb dessen sich eine Vielzahl von Schicksalen entscheidet, kühne Pläne und große Lebensanstrengungen auf die Probe gestellt werden, bis es zum Showdown kommt, auf dem schwankenden Boden eines albanischen Kreuzfahrtschiffs.
Österreichischer Buchpreis 2022 (Longlist)

Suhrkamp, Fester Einband mit Schutzumschlag, 653 S., EUR 28.--

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Ein Sommer in Niendorf

 

von Heinz Strunk

Ich weiß immer nicht so richtig, was ich bei Heinz Strunk für ernst nehmen soll. Ist das vorliegende Buch ein Zeugnis eines gescheiterten Mannes in der Mitte seines Lebens, eine Sinnsuche, eine Abrechnung mit dem bürgerlichen Leben, oder eine Satire, ins Groteske treibende,auf das alles!?

Klappentext:
Ein Sommer voll Sonne, Strand und Abgrund: Ein Mann namens Roth begibt sich für eine längere Auszeit nach Niendorf: er will ein wichtiges Buch schreiben, eine Abrechnung mit seiner bürgerlichen Famile. In dem geruhsamen Ostseebad gerät er aber bald in den Bann eines trotz seiner furchtbaren Banalität dämonischen Geists: ein Strandkorbverleiher, der Mann ist außerdem Besitzer des örtlichen Spirituosengeschäfts, aufdringlich wie ein Insekt. Soch nach und nach beginnt roth, seine Nähe zu suchen. Als Dritte stößt Simone hinzu, die Freundin des Schnapshändlers, in jeder Hinsicht eine Nicht-Traumfrau - eigentlich. Und am Ende dieser Sommergeschichte ist Roth seiner alten Welt abhandengekommen, ist er ein ganz anderer...

Nominiert für den Deutschen Literaturpreis, 2022. War auf der Longlist.

Rowohlt, 240 S., gebunden EUR 22.--

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Radio Nacht


von Juri Andruchowytsch
Roman
Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr

Als »Barrikadenpianist« hat er die Revolution zu Hause unterstützt. In der Emigration verdient er sein Geld als Salonmusiker – Josip Rotsky, ein Mann unklarer Identität, dessen Name sich auf Trotzki, Brodsky und Joseph Roth reimt. In einem Schweizer Hotel muss er für den Diktator seines Landes spielen - und wird zum Attentäter.  

Nach der Haft zieht Rotsky sich in die heimatlichen Karpaten zurück. Geheimdienstler und andere Finsterlinge trachten ihm nach dem Leben. Mit seiner Geliebten Animé und dem Raben Edgar flieht er nach Griechenland. Erst auf der Gefängnisinsel am Null-Meridian ist Schluss. Dort sendet sein »Radio Nacht« rund um die Uhr Musik, Poesie und Geschichten in die sich verfinsternde Welt.

Radio Nacht, in der Ukraine 2020 erschienen, ist nicht nur ein sprachliches Feuerwerk, sondern ein Gegenwartsroman von eminenter Aktualität. Klimaproteste, Pandemie, die Bedrohung durch Russland – er handelt von einer Zeit, in der die Hoffnungen auf radikale Veränderungen begraben werden.
Bibliografische Angaben

Suhrkamp, fester Einband mit Schutzumschlag, 472 S., EUR 26.--

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Nord


von Merethe Lindstrøm

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Ein Krieg geht zu Ende. Irgendwann. Irgendwo. Menschen irren durchs Land. Vertrieben aus Häusern, Dörfern, Lagern. Wie der siebzehnjährige Junge, dessen Schulterblätter wie Flügelstummel aus dem Rücken stehen. Er hat es geschafft zu entkommen. Dem Todesmarsch, dem Örtchen Welcherweg und auch der jungen Aneska, die ihn anstelle ihres im Krieg verschollenen Ehemanns bei sich behalten wollte. Nun folgt er seinem inneren Kompass in Richtung Nord, wo er einmal zu Hause war. Unterwegs begegnet er einem anderen Jungen, auch er mit einer tief eingegrabenen Geschichte, deren Geheimnis er unter der zerschlissenen Kleidung trägt. Ohne Hoffnung und ohne Ziel schließt er sich dem Erzähler an, und eine gewisse Zeit bewegen sie sich gemeinsam durch die von Schönheit und Zerstörung gleichermaßen bestimmte Landschaft. Merethe Lindstrøm erforscht in Nord, was mit gewöhnlichen Menschen unter extremen Bedingungen geschieht. Sie umkreist in diesem eindringlichen, unheimlichen Roman den Nullpunkt der Existenz, der in jeder Kriegs- und Fluchtsituation entsteht, wenn Nahrung, ein Zuhause, ein Bett fehlen, schlicht ein Ort, an den man gehört. Nord umfasst alle Kriege, in denen Gesellschaften und Strukturen zerstört wurden, und doch gelingt es Lindstrøm, auch von der Hoffnung zu erzählen und von der betörenden Schönheit der Natur in einem dunklen Universum.

Matthes & Seitz Berlin, 220 S., S., gebunden mit Schutzumschlag, EUR 22,00

Erscheint voraussichtich am 24.11.22

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Transatlantik


von Volker Kutscher


Erscheint am 27.10.22

Der 9. Rath-Roman: Die Bestsellerserie geht weiter

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Frühjahr 1937:

Die Familie Rath ist zersprengt. Eigentlich wollte Charlotte Rath, geborene Ritter, schon längst im Ausland sein, doch halten die Umstände sie in Berlin fest. Ihr ehemaliger Pflegesohn Fritze ist in die geschlossene Abteilung der Nervenheilanstalt Wittenau gesteckt worden, ihre beste Freundin Greta spurlos verschwunden und steht unter Mordverdacht. Dem untergetauchten und von den Behörden für tot gehaltenen Gereon Rath wird es derweil zu gefährlich in Deutschland, er besteigt den Zeppelin, um in die USA zu entkommen. Während Charly versucht, Fritze aus der Klinik rauszupauken, das Verschwinden von Greta zu klären und den Mordfall zu lösen, geschehen jenseits des Atlantiks Dinge, die sie niemals für möglich gehalten hätte.
 
Piper Verlag, 595 S., EUR 26.--

Weitere Neuerscheinungen Herbst 2022

Sebastian Guhr: Chamissimo

Schirach: Nachmittage

Cormack McCarthy: Der Passagier

Achtsam morden 4

 

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