Romane 2021
Hard LandRoman von Bendecit Wells Seit kurzem im Handel: und wer Benedikt Wells kennt, hat sehnsüchtig darauf gewartet! Nach "Das Ende der Einsamkeit" wieder vor allem sprachlich, ein geniales Werk. Zur Veranschaulichung folgende Leseprobe: "Es war der Anfang der Sommerferien, und vom Berg an Langeweile, der vor mir aufragte, hatte ich noch nicht mal die Spitze abgetragen." Das ist es, was den Autor und auch das vorliegende Werk ausmacht. Ein Buch der leisen Töne, vom Leben, Sterben und allem dazwischen aus der Sicht eines jungen Erwachsenen. Diogenes, 342 S., Leinen, EUR 24.-- |
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Über Menschenvon Juli Zeh Ein hochaktueller Roman, scharf beobachtet und mit einem unfassbaren Gespür für das "Corona"-Empfinden und die Spannungen innerhalb und zwischen den Fronten in unserer Gesellschaft, Verständnis und Mißverständnis, Toleranz und Ignoranz und trotzallem die Geschichte einer unmöglichen Freundschaft. Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. Ihr zeigen sich Menschen, die in kein Raster passen, ihre Vorstellungen und ihr bisheriges Leben aufs Massivste herausfordern und sie etwas erfahren lassen, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie es sucht. Wer "Unterleuten" gerne gelesen hat, wird auch "Über Menschen" gerne lesen. Nur diesesmal entzünden sich die Nachbarschaftskonflikte nicht an der Frage "Windkraftanlage ja-nein", oder an den "DDR-Altlasten" sondern entlang des Themas "Umgang mit der Corona-Pandemie", und der Frage "Darf ein Nazi ein guter Nachbar sein". Sensibel und trotzdem bissig legt Juli Zeh ihren Protagonist*innen das in den Mund, was den einen durch den Kopf und den anderen am Allerwertesten (vorbei) geht. Dabei vermeidet sie Schwarz-Weiß-Zeichnung, und spürt so die Widersprüche auf. Gut zu lesen, viel Stoff zum Nachdenken über das Verhalten der Menschen, auch zu Zeiten der Pandemie, wenn man das nicht schon sowieso die ganze Zeit tut! Ich würde spoilern, wenn ich mich zum Fortschreiten und dem Ausgang der "Nachbarschaftsbeziehung" äußern würde - aber es sei nur gesagt, ich hätte mir eine andere Auflösung gewünscht. Die erzeugte Spannung, darin begründet, das man sich als Leser*in fragt, wie Juli Zeh diese Widersprüche wohl auflöst, war aber auch ein Grund dafür, dass ich das Buch an einem Sonntagnachmittag in einem Zug gelesen habe. Also kann die Autorin so viel auch nicht falsch gemacht haben. Luchterhand Verlag, 416 S., gebunden EUR 22.-- |
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Erste Person Singular
Murakamis Erzählungen nehmen einen nicht unwesentlichen Platz in seinem schriftstellerischen Werk und Können ein. Obwohl ich kein Fan von Kurzstorys bin, überrascht mich Murakami positiv. Seine Erzählungen sind so "murakamisch" wie seine Romane. Schriftsteller eben... Inhalt, Verlagsbeschreibung: Frauen, die verschwinden, eine fiktive Bossa-Nova-Platte von Charlie Parker, ein sprechender Affe und ein Mann, der sich fragt, wie er wurde, was er ist: Die Rätsel um die Menschen, Dinge, Wesen und Momente, die uns für immer prägen, beschäftigen die Ich-Erzähler der acht Geschichten in "Erste Person Singular". Es sind klassische Murakami-Erzähler, die uns in eine Welt aus nostalgischen Jugenderinnerungen, vergangenen Liebschaften, philosophischen Betrachtungen, Literatur, Musik und Baseball entführen. Melancholisch, bestechend intelligent und tragikomisch im allerbesten Wortsinn sind diese Geschichten, die wie beiläufig mit der Grenze zwischen Fiktion und Realität spielen und immer wieder den Verdacht nahelegen, dass Autor und Ich-Erzähler mehr als nur ein paar Gemeinsamkeiten haben. DuMont, 224 S., EUR 22- |
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Klara und die Sonne
Man stolpert am Anfang über Klaras Sprache, was zuerst befremdlich wirkt, entwickelt sich als zusätzliches geniales sprachliches Ausdrucksmittel. Leseempfehlung!
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Mädchen, Frau etc.
Die Dramatikerin Amma steht kurz vor dem Durchbruch. In ihrer ersten Inszenierung am Londoner National Theatre setzt sie sich mit ihrer Identität als schwarze, lesbische Frau auseinander. Ihre gute Freundin Shirley hingegen ist nach jahrzehntelanger Arbeit an unterfinanzierten Londoner Schulen ausgebrannt. Carole hat Shirley, ihrer ehemaligen Lehrerin, viel zu verdanken, sie arbeitet inzwischen als erfolgreiche Investmentbankerin. Caroles Mutter Bummi will ebenfalls auf eigenen Füßen stehen und gründet eine Reinigungsfirma. Sie ist in Nigeria in armen Verhältnissen aufgewachsen und hat ihrer Tochter Carole aus guten Gründen einen englischen Vornamen gegeben. |
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Der Mann im roten Rock
Julian Barnes lässt eine Fülle von Material in eine kurzweilig zu lesende Epochenbeschreibung fließen, in deren Mittelpunkt der Arzt und Gynäkologe Dr. Samuel Pozzi (1846–1918) steht. Julian Barnes zeichnet das Bild einer ganzen Epoche am Beispiel dieses charismatischen Mannes. Er erzählt unterhaltsam Kulturgeschichten über den Fin de Siècle und seine Protagonistinnen und Protagonisten: Maler, Politiker, Künstler, Schauspieler, Schriftsteller. |
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Die Geschichte eines Lügners
von John Boyne
Im neuen Werk von John Boyne geht es um einen jungen begabten Schriftsteller, der wohl schreiben kann, der aber an Ideenlosigkeit leidet. Also bedient er sich der Geschichten anderer. Skrupellos! Maurice macht Erinnerungen und Ideen anderer zu seinen eigenen Geschichten. Und kommt durch, immer wieder. Und der Autor schafft es vortrefflich, dass man mitfiebert, man am liebsten in das Buch hineinkriechen würde, um den vom Betrug bedrohten und getäuschten Menschen wachzurütteln. Wie naiv die Literaten, wie empfänglich für Lob und Ruhm. Die Literaturszene im Fiktiven als auch im Realen, birgt und bringt genau solche Selbstdarsteller und Täuscher hervor. Wäre die Szene nicht so, wäre die Geschichte nicht möglich. Auch die Sehnsüchte älterer Männer nach ihrer eigenen vergangenen und vergeudeten Jugend, manifestiert durch das Anbeten junger schöner Männern, spielt eine traurige Rolle in diesem Roman. Piper Verlag, 432 S., EUR 24.-- |
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DAVE
Wie "menschlich" ist bzw. kann Künstliche Intelligenz (sein)? Und wo bleibt dann der Mensch? Und wer hat dann die Macht? Inhalt: In nicht allzuferner Zukunft: Das Ziel des gesamten Labors in dem der Programmierer Syz schläft, lebt und arbeitet, ist nichts Geringeres als die Programmierung der ersten generellen Künstlichen Intelligenz, die mit einer Höchstleistung an Rechenkraft und mit menschlichem Bewusstsein ausgestattet ist, sie trägt den Namen: DAVE. ... Verlagsbeschreibung: Während das Labor in blinder Technikgläubigkeit weiterhin auf die Verwirklichung der Künstlichen Superintelligenz hinarbeitet, taucht Syz tief in die Geschichte des Labors ein und versucht herauszufinden, wessen Interessen DAVE am Ende eigentlich dient." Nach dem großen Erfolg von »Das flüssige Land« legt Raphaela Edelbauer einen einzigartigen Roman (fand ich auch! Anmerkung Wissothek) über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Künstlichen Intelligenz vor. Klett-Cotta, 432 S., gebunden, EUR 25.-- |
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Trost
von Thea Dorn
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