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Frühjahr 2020

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Serpentinen


von Bov Bjerg

Der Autor des Überraschungserfolges "Auerhaus" eines Romanes, der mich und viele meiner Kund*innen überzeugt hat, hat ein neues, in meinen Augen noch besseres Werk geschaffen.

Wieder erstaunlich, wie er Schicht für Schicht die Widersprüche seiner Protagonisten aufzeigt. Davon lebt auch dieses Buch. Kein leichtes Buch, denn es hat den Suizid diesesmal gleich mehrer männlicher Familienmitglieder zum Thema und die Angst des Vaters der nächste in der Reihe zu sein.

Herauszustellen ist, dass der Protagonist (wie auch der Autor) aus der schwäbischen Provinz stammt, sich aber von dieser immer distanzieren mußte. Er unternimmt alles, um im akademischen Milieu nicht durch seine Herkunft aufzufallen. Inzwischen ist er selbst Vater und muss sich seiner Herkunft und dem Familienschicksal stellen, denn er will seinem Sohn das Traumata ersparen, dass ihn sein Leben lang begleitet hat.

Vater und Sohn begeben sich auf Wanderfahrt in die alte Heimat. Sie fahren auf die Schwäbische Alb, rauf und runter, denn sein Sohn liebt die Serpentinen.

Verlagsbeschreibung:

Ein Vater unterwegs mit seinem Sohn. Ihre Reise führt zurück in das Hügelland, aus dem der Vater stammt, zu den Schauplätzen seiner Kindheit. Da ist das Geburtshaus, dort die elterliche Hochzeitskirche, hier der Friedhof, auf dem der Freund Frieder begraben liegt. Ständiger Reisebegleiter ist das Schicksal der männlichen Vorfahren, die sich allesamt das Leben nahmen: "Urgroßvater, Großvater, Vater. Ertränkt, erschossen, erhängt." Der Vater muss erkennen, dass sein Wegzug, seine Bildung und sein Aufstieg keine Erlösung gebracht haben.
Vielleicht helfen die Rückkehr und das Erinnern. Doch warum bringt er seinen Jungen in Gefahr? Warum hat er keine Antwort auf dessen bange Frage: "Um was geht es?" Er weiß nur: Wer zurückfährt, muss alle Kurven noch einmal nehmen. Wenn er der dunklen Tradition ein Ende setzen will.

Bov Bjerg gehört zu den wichtigsten Schriftstellern der deutschen Gegenwart. Nach dem Bestseller „Auerhaus“ legt er nun seinen neuen Roman vor. Genau, mutig und lang nachwirkend erzählt er vom Kampf eines Vaters gegen die Dämonen der Vergangenheit. Nur wenn er seinen Sohn so liebt, wie er selbst nie geliebt wurde, kann die Reise der beiden glücken.

Claasen Verlag, 272 S., Hardcover mit Schutzumschlag, EUR 22.--

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Aus und davon


von Anna Katharina Hahn

Nachdem ich mit dem letzten Roman der Autorin "Das Kleid meiner Mutter" nichts anfangen konnte, und auch kein positives Feedback meiner Kund*innen bekommen habe, war ich doch gespannt auf den neuen Roman. Und ich wurde positiv überrascht. Der Roman ist vielschichtig, aber nicht konfus. Die einzelnen Erzählstränge sind durch die Einführung einer Puppe die von Generation zu Generation wandert verbunden. Teilweise mutet es als zu banale Alltagsgeschichte an, dann wieder ist man überrascht, wie prägnant die Beschreibungen der Charakteren und ihrer Handlungen gelingen. So schafft die Autorin anknüpfend an ihre früheren Werke, einen Frauenroman der leicht zu lesen ist, aber doch Tiefe besitzt.

Die Tatsache, dass er zum großen Teil wieder in Stuttgart spielt, macht ihn zusätzlich für alle die in Stuttgart leben oder Stuttgart kennen attraktiv. Interessant fand ich, da ich ähnliche Erfahrungen als Kind gemacht habe, die Schilderungen des pietistischen Milieus im Schwabenland. Auch die historischen Wurzeln.

zum Inhalt:

Elisabeth zieht kurzfristig bei Ihrer Tochter in einer Mietwohnung am Stuttgarter Ostendplatz ein, um deren zwei Kinder zu versorgen. Ihre Tochter Cornelia braucht nach der Trennung von ihrem Mann dringend eine Auszeit und nutzt diese, um in den USA, in Pennsylvania, nach den Spuren einer ausgewanderten Vorfahrin zu suchen. Elisabeth ist leicht überfordert, kämpft sie doch mit dem Ende ihrer langjährigen Ehe. Musste sie bis vor kurzem ihren Mann nach einem Schlaganfall pflegen, will der jetzt nach der Reha ein anderes Leben weiterleben, ohne sie, denn schließlich ist er jetzt auch ein anderer Mensch.

Während Cornelia in Pennsylvania ist, wird in Einschüben die Geschichte der Auswanderin "Trude bzw. Trudele" erzählt.

Ein gelungener Familienroman
Suhrkamp,   308 S., gebunden EUR 24.---
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Das wirkliche Leben


von Adeline Dieudonnée

Was für ein starkes Buch!


In zwei Stunden gelesen, fassungslos verstört durch die Seiten gepflügt - das beschreibt mein Erleben beim Lesen diese Buches!

Es beginnt ganz harmlos - eigentlich, denn man spürt von Anfang, das nichts harmlos ist. Man berauscht sich an den genauen Beobachtungen der Gefühlswelt zweier innig miteinander verbundener Geschwister, einer Schrottplatz- Spielplatzidylle, dem kindlichen Spiel und der Nähe, während aber im Hintergrund das "Tier" schon seine Zähne fletscht.

Zuerst gibt es da dieses Jagdtrophäenzimmer des Vaters, dessen Aura einen erschaudern lässt. Dann ein Ereignis, dass die Scheinbaridylle im farblosen Wohnviertel erschüttert und eine jähe Zäsur der bisher mühsam aufrechterhaltenen Fassade unnerhalb der Familie greifbar macht. Es entlarft das vergebliche Bemühen der Geschwister durch ihre Innnigkeit dem äußeren Schrecken etwas entgegenzusetzen, als das was es ist, ein Versuch, das Offensichtlichen, die (männliche) Gewalt, die man als Leser*in auch von Anfang an zwischen den Zeilen spürt.

In der weiteren Folge der Erzählung breitet sich dieses böse Tier, die Gewalt personalisiert durch eine ausgestopfte Hyäne, immer mehr aus. Der Bruder, Gilles, zum Zeitpunkt des traumatischen Ereignisses, erst sechs Jahre alt, ist nicht mehr er selbst, seine Schwester sieht die Schatten die sich immer mehr in ihm ausbreiten und hat nur ein Ziel: Sie muss in die Vergangenheit reisen um das Ereignis rückgängig zu machen, in kindlicher Naivität, sie ist zehn Jahre alt, und der Energie einer Verzweifelten widmet sie den ganzen Sommer der Entwicklung einer Zeitmaschine. Im Erkennen der Unmöglichkeit ihres Ansinnens passieren zwei Dinge, zum einen endet damit abrupt ihre Kindheit, zum anderen, entdeckt sie ihre Leidenschaft für Naturwissenschaften, vor allem für die Quantenphysik.

Mehrere Bezugspersonen erwecken beim Lesen die Hoffnung, dass sich das Leben der Heldin doch noch zum Besseren wendet, doch es gibt keine Hoffnung, außer der Hoffnung selbst eine Kraft zu entwickeln sich aus der Situation zu befreien, die Opferrolle selbst zu verlassen.

Zur Handlung selbst will ich nichts Näheres schreiben - auch wenn ich fast platze, so viel Wut hatte ich beim Lesen. Einzelne Szenen sind aber so heftig, dass ich auch warnen muss. Ich werde einige Bilder lange Zeit in mir tragen.

dtv, 239 S., EUR 18.-

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Middle England


von Jonathan Coe

Das Buch war eines derjenigen, die mich perfekt abgelenkt haben, in einer Zeit, in der Nachrichtenmeldungen das Leben dominier(t)en. Es schafft etwas Seltenes: man taucht in eine Geschichte ein, um wenige Stunden dem Alltag zu entfliehen, und es bleibt dabei noch etwas hängen. Die authentischen Charakteren haben einen großen Anteil daran.

Der Roman läßt die Jahre vor dem Brexit in England naherücken, von 2010 bis 2017. (In den Erinnerungen der handelnden Personen auch die Zeit davor). Man wird wieder an Dinge erinnert, die fast schon Geschichte sind, dabei haben sie sich erst vor drei Jahren abgespielt und ihre die Folgen sind erst erahnbar. Folgen für Großbritannien und Folgen für Europa, wie wir es uns so nie vorstellen wollten. Anhand der handelnden Personen zeigt der Autor wie zerrissen das Land war und ist - lässt einen teilhaben an den Geschichten der Menschen, die den unversöhnlich einander gegenüberstehenden Parteien angehören. Die jungen Intellektuellen aus London, Dozenten, Schriftsteller, Verleger auf der einen Seite und die Menschen, die Ihren Lebenstandard bedroht sahen und sehen, die die einzige Chance in einem GB first, sahen und sehen, die Einwanderer als Bedrohung empfanden und empfinden und die immer noch der herausragenden Rolle Großbritanniens in Europa und der Welt nachtrauern. Exemplarisch Sophie und ihre Familie auf der einen Seite, der Mann den sie heiratet, weil sie von den intellektuellen Männern genug hat, Ian, und seine Familie und Freunde, auf der anderen Seite. Und doch schafft es der Autor jenseits der schwarz-weiß Klischees zu bleiben, meistens jedenfalls.

Verlagsbeschreibung:

Der Brexit spaltet die britische Gesellschaft und ganz Europa – Coes klug-ironische Komödie zeigt, wie es dazu kommen konnte.
Benjamin Trotter zieht in eine romantische Wassermühle in die Grafschaft Shropshire, ins Herz des ländlichen England, um seinen Roman, an dem er schon 30 Jahre arbeitet, zu beenden. Seine Nichte Sophie fühlt sich im multikulturellen London zu Hause, lebt aber nach der Heirat mit ihrem Mann in der Provinz und spürt ein zunehmendes Unbehagen; ist auch er so fremdenfeindlich wie seine Mutter? Doug, Journalist und Labour-Anhänger, schämt sich für sein luxuriöses Leben im reichen Chelsea, das sich kaum jemand noch leisten kann. In den vermeintlich idyllischen Midlands mit festen Werten und Traditionen kommt eine bizarre Sehnsucht nach Englishness auf, und eine tiefe Kluft zieht in diesem abgehängten Landesteil durch alle menschlichen Beziehungen. Ab wann lief alles schief? Dieser unterhaltsame und fein gesponnene Gesellschaftsroman blickt tief in die Seele des englischen Wesens.

Das Buch ist in einem relativ jungen und kleinen Verlag mit Sitz in Bozen und Wien erschienen: Dem folio Verlag, dem nach eigenen Worten: ...."wichtig (ist) den kulturellen Austausch zu pflegen – auch in Zeiten der Krise und über Grenzen und Ethnien hinweg. Als Südtirolern ist den beiden Verlegern bewusst, wie fragil das friedliche Zusammenleben zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften sein kann. Aus diesem Grund haben sie sich von Beginn an für die damalige Krisensituation in Südosteuropa interessiert und jene literarischen Stimmen aus Slowenien, Kroatien, Serbien und Bosnien versammelt, die sich für eine gemeinsame Zukunft einsetzten. Beispielgebend war die Zusammenarbeit mit der OSZE an der Anthologie „Verteidigung der Zukunft. Suche im verminten Gelände“, die herausragende friedenswillige Autoren der Krisenregion versammelte. Folio appelliert dezidiert an ein friedliches, offenes Europa und für den kulturellen Transfer zwischen Südosteuropa und Zentraleuropa, zwischen Italien und dem deutschen Sprachraum. Folgerichtig steht jedes Buch, jeder Autor für eine aufgeklärte Gesellschaft." (Zitat übernommen von der Verlagswebseite).

Middle England wurde mit dem Costa Book Award 2019 und dem Preis des Europäischen Buches 2019 ausgezeichnet.

folio Verlag, 477 S., gebunden, EUR 25.--

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Leben verboten!


von Maria Lazar


Ich habe das Buch lange Zeit mit mir herumgetragen. Es war ein Leseerlebnis von dem ich möglichst lange zehren wollte. Es ist schwer zu beschreiben, woran man diese Faszination festmachen kann. Es ist die Erzählweise, die Tiefe der Person, die Atmosphäre, die Geschehnisse, .... Alles in einem!

Beim Suchen nach mehr Informationen zur Autorin, Maria Lazar, bin ich auf umfangreiche Informationen zu diesem verschollenen Werk und der Autorin gestossen, die ich so einfach durch Verlinken zur Verlagsseite weitergeben möchte - da ist einfach alles gesagt. Bleibt mir nur übrig auch meine absolute Leseempfehlung für das Buch abzugeben.


http://dvb-verlag.at/category/leben-verboten/

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Der Freund


von Sigrid Nunez

Roman

New York Times-Bestseller und Gewinner des National Book Award

Dieses Buch kann man langsam lesen. Es erzählt soviel mehr, als das Cover und die Kurzbeschreibung des Verlages vermuten lässt und viel mehr, als dass der geringe Umfang ahnen lässt, denn man muss immer wieder innehalten um dem Gelesenen nachzuspüren. Nunez erzählt über Freundschaft, das Leben, den Tod, über das Schreiben, lebensbejahend, intelligent, tiefsinnig, wahr.

Verlagsbeschreibung:

Eine Frau, die um ihren Freund trauert, ein riesiger Hund – und die berührende Geschichte ihres gemeinsamen Wegs zurück ins Leben
Als die Ich-Erzählerin, eine in New York City lebende Schriftstellerin, ihren besten Freund verliert, bekommt sie überraschend dessen Hund vermacht. Apollo ist eine riesige Dogge, die achtzig Kilo wiegt. Ihr Apartment ist eigentlich viel zu klein für ihn, außerdem sind Hunde in ihrem Mietshaus nicht erlaubt. Aber irgendwie kann sie nicht Nein sagen und nimmt Apollo bei sich auf, der wie sie in tiefer Trauer ist. Stück für Stück finden die beiden gemeinsam zurück ins Leben. Ein Roman über Liebe, Freundschaft und die Kraft des Erzählens -- und die tröstliche Verbindung zwischen Mensch und Hund.

Aufbau Verlag, gebunden mit Schutzumschlag, 235 S., EUR 20.--

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Heaven, My Home


von Attica Locke


Aufgrund der aktuellen Situation in den USA, der "Black Lives Matter"-Bewegung, habe ich einiges an Büchern zusammengestellt, die ich kannte, aber auch die mir erst jetzt aufgefallen sind. Dabei auch dieses Buch, das spannend und gut recherchiert, die tiefe Spaltung in der Gesellschaft Amerikas deutlich werden lässt.
Eigentlich ist es der 2. Fall eines schwarzen Rangers, der in Texas mit einer Übermacht und Gewalt des White Trashs konfrontiert wird und diesem Einhalt gebieten muss. Man kann den Krimi auch unabhängig vom 1. Fall des Texas Rangers Darren Matthew lesen (so wie ich). Ich fand in sprachlich richtig gut, die Charaktere überzeugend und die historischen Grundlagen und konträren politischen Positionen gut eingearbeitet. Auch die Flusslandschaft, das Ödland, die Verlassenheit der Gegend, die Aussichtslosigkeit, grandios vermittelt. Mir war beim Lesen zu keiner Zeit langweilig! Ich werde auf jeden Fall jetzt auch Band 1 lesen.

Inhaltsbeschreibung:

Wie im Band HEAVEN, MY HOME geht es auch in diesem Buch um ein Hassverbrechen. In Marion County soll ein Mord von einem Afroamerikaner an einem weißen Kind begangen worden sein. Texas Ranger Darren Mathews ist auf der Suche nach dem 9-jährigen Levi King, der allein in der Dunkelheit des riesigen Caddo-Sees in einem Boot verschwunden ist. Zuletzt hat ihn Leroy Page gesehen, ein Afroamerikaner, der hilflos mitansehen musste, wie sich auf seinem verpachteten Land ein Trailer Park mitsamt Anhänger der rassistischen Bruderschaft ABT ansiedelte. Sie haben ihn nicht nur bedroht, sein Haus mit rassistischen Sprüchen verunstaltet, sie unterstellen ihm auch, den Jungen getötet zu haben.
Mathews wird von seinem Vorgesetzten an den See beordert, um letzte Beweise gegen die arische Bruderschaft zu sammeln, bevor Trump Präsident wird. Selbst plagen ihn private Sorgen. Seine Ehe ist in dem prekären Zustand der Wiederannäherung und seine Karriere liegt in den Händen seiner Mutter, die eine Waffe an sich gebracht hat, die Mathews Verwicklung in einen Mord beweist.
Jahrhundertealte Verdächtigungen und Vorurteile angesichts eines sich verändernden politischen Klimas brechen neu auf, während Mathews sich bemüht, den Jungen zu finden und sich selbst zu retten.
Polar Verlag, 322. S., gebunden, EUR 22.--

weiterer Titel der preisgekrönten Autorin: wnr945133712.jpg
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50

 

von Hideo Yokoyama

Ich bin ein großer Fan von spannenden (Krimi)Romanen die die Schwächen einer Gesellschaft, einer Kultur, einer Zeitepoche offenlegen. Meine letzte Entdeckung waren die Krimis aus dem polaris Verlag, jetzt bin ich wieder zurückgekehrt zu japanischen Romanen. Und da zu Hideo Yokohama dessen letzten Titel "64" ich ebenfalls gelesen habe. Den fand ich auch gut, allerdings zog er sich etwas in die Länge, was man von diesem Titel nicht sagen kann.
Licht ins Dunkel der Motive des Täters kommt aus verschiedenen Blickwinkeln der zuständigen Stellen, die schonungslos Machtbefugnisse, Verschleierunstendenzen und Konkurrenzsituationen aufdecken. Zur Sprache kommen: der zuständige Ermittlungsbeamte Kazumasa Shiki, der Staatsanwalt Morio Sase, der Journalist Yohei Nakao, der Anwalt des Täters, Manabu Uemura, der Richters Keigo Fujibayashi und der Justizvollzugsbeamte Seiji Koga. Wobei es, wie in "guten" Kriminalromanen nicht um die Tat als solche geht, der Täter gesteht sie auch ohne wenn und aber, sondern um die Verstrickungen im Polizeiapparat und in der Justiz, und natürlich um die Geschichte rund um den Täter, auch ein Angehöriger der Polizei.

Verlagsbeschreibung:

Der 49-jährige Sochiro Kaji genießt als vorbildlicher Polizist einen tadellosen Ruf – bis er sich eines Tages vor seine Kollegen stellt und berichtet, seine Frau getötet zu haben. Im anschließenden Verhör gibt er an, dass seine Frau an Alzheimer erkrankt war und ihn gebeten habe, ihr Leben zu beenden. Der Fall scheint aufgeklärt, doch Kriminalkommissar Kazumasa Shiki findet keine Ruhe. Als er auf eigene Faust weiterermittelt, stößt er in der Wohnung von Sochiro auf eine geheimnisvolle Kalligrafie mit dem Text: "50 Jahre – ein Leben". In Shiki keimt der Verdacht, dass Sochiro sich mit fünfzig das Leben nehmen wollte. Shiki beschließt, das Rätsel um jeden Preis zu lösen – und taucht immer tiefer ein in die dunkle Geschichte eines Ehepaares, für das der Tod keine Sache des Zufalls war.

Atrium Verlag, gebunden 347 S., sehr schön gestaltet, EUR 22.--

weitere Titel des Autors: wnr038821083jpg.jpg wnr038821144.jpgneu Juni 2020
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Der Klavierstimmer Ihrer Majestät


von Mason, Daniel

Ach, kann der Autor schreiben! ich habe mit Edgar gezaudert den Auftrag anzunehmen die lange Reise nach Birma zu wagen, um ein Klavier zu stimmen. Habe mit ihm zusammen die Überfahrt erlebt und war voller Vorfreude und Erwartung hinsichtlich des geheimnisvollen Arztes auf dessen Wunsch hin, er unterwegs war. Die Spannung stieg immer höher, wie wohl dieser kunstsinnige Mensch mit militärischer Ausbildung und taktischem Verhandlungsgeschick ihn empfangen wird. Was ist er für ein Mensch, welche Gespräche entwickeln sich,....So schön und ausführlich der Weg war, am Ziel angelangt, begreift die Leserin, der Leser, dass nicht der Arzt, bzw. der verstimmte, auf dem Transport beschädigte Flügel des Arztes im Vordergrund des Romanes steht, oder die militärischen Verwicklungen, sondern wie Edgar durch die Erlebnisse gewinnt, sich selbst näher kommt und sich von der alten Welt und seiner alten Identität immer weiter entfernt. Ein Buch das nachhallt, wenn ich auch gerne noch tiefer in die Geschichte dieser beiden Männer eingetaucht wäre. Es bleibt doch ziemlich viel offen, was aber auch wieder seinen Reiz hat. Mir hätte eine Prise mehr "englischer Patient" noch gut gefallen. Aber ein Buch mit weniger als 500 Seiten hat es bei mir auch schwer (!)

Inhalt:

London 1887: Die britischen Kolonialherren in Afrika und Asien stehen auf der Höhe ihrer Macht. Doch von den Gewaltverbrechen in der Ferne bekommt der Klavierstimmer Edgar Drake nur wenig mit, er hat Großbritannien noch nie verlassen - bis sein beschauliches Leben plötzlich komplett auf den Kopf gestellt wird: Wieso schickt ihn das britische Kriegsministerium in den umkämpften Dschungel von Birma, um einen Flügel zu reparieren? Der Flügel gehört dem dort stationierten Militärarzt Anthony Carrol, der das Instrument einsetzt, um über die Kraft der Musik einen friedlichen Dialog mit den Einheimischen zu führen. Der Brutalität des Krieges auf diese Weise zu trotzten, beeindruckt Drake, er nimmt den Auftrag an. Und tatsächlich verfällt er Birma. Ihn fesseln die exotische Landschaft die fremden Bräuchen, die Menschen... Selbst als die Arbeiten am Flügel längst vollzogen sind, schafft er es nicht sich von dieser faszinierenden Welt zu lösen - mit fatalen Folgen.   
C.H. Beck, gebunden, 398 S., EUR 24.--

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Das Gewicht der Worte


von Pascal Mercier

Ich habe mich darüber gefreut, dass es wieder einen neuen Roman von Pascal Mercier gibt, nach doch ziemlich langer Zeit.

Hinter dem Pseudonym "Pascal Mercier" steckt der Schweizer Philosoph Peter Bieri, seine Romane veröffentlicht er unter dem Namen Pascal Mercier.

Gelesen habe ich damals, wie wohl viele, den "Nachtzug nach Lissabon", von den anderen Titeln habe ich noch positiv die "Lea" im Kopf.

Der vorliegende Roman wurde von den Rezensent*innen verrissen. Ich kann es zum Teil nachvollziehen, denn er mutet altmodisch an, der Protagonist lebt in einer realitätsfernen Bildungsblase, seine Ambitionen und Ziele im Leben fallen aus der Zeit, aber gerade deshalb habe ich die Geschichte zur Abwechslung auch mal wieder gerne gelesen. Der Titel "Gewicht der Worte" hat leider nicht gehalten, was er versprochen hat, lesbar ist das Buch allemal.

Verlagsbeschreibung:

„Jetzt, da er wieder eine Zukunft hatte, wollte er verschwenderisch mit seiner Zeit umgehen.“ – Der neue Roman von Pascal Mercier, dem Autor des Bestsellers „Nachtzug nach Lissabon. Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann...

Hanser, 576 S., gebunden EUR 26.--

weitere Titel des Autors als Romancier:
  • Perlmanns Schweigen.
  • Der Klavierstimmer.
  • Nachtzug nach Lissabon.
  • Lea.
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Long Bright River


von Liz Moore

"Krimi-Bestenliste" Februar und März 2020! Ein spannender Kriminalroman, mit starken weiblichen Romanfiguren, gleichzeitig auch eine vielschichtige Milieustudie im Drogenmilieu Philadelphias angesiedelt.

Verlagsbeschreibung:

Einst waren sie unzertrennlich, seit fünf Jahren sprechen sie nicht mehr miteinander, doch die eine wacht insgeheim über die andere. Jetzt aber ist die Lage bedrohlich geworden: Mickey, Streifenpolizistin in Philadelphia, findet ihre drogenabhängige Schwester Kacey nicht mehr auf den Straßen der Blocks, die sie kontrolliert und auf denen Kacey für ihren Konsum anschaffen geht. Gleichzeitig erschüttert eine Reihe von Morden an jungen Prostituierten die von Perspektivlosigkeit und Drogenmissbrauch geplagte Stadt. In ihrem enorm spannenden Roman erzählt Liz Moore die Familiengeschichte von Mickey und Kacey und deren Entfremdung parallel zur Geschichte der Jagd nach einem Frauenmörder, die auch Mickey in große Gefahr bringt. Zugleich entwirft Liz Moore in diesem großen Roman das umwerfend authentische Porträt einer Stadt und einer Gesellschaft in der Krise.

C.H. Beck, 413 S., EUR 24.--

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Das Haus der Frauen


von Laetitia Colombani

Ich habe auch das erste Buch von der Autorin gelesen: "Der Zopf". Kann als Schmökerstoff mit ernstem Hintergrund durchgehen, nicht schlecht, aber eher ein Buch zum Zwischendurchlesen, in Bus, Bahn etc., oder auch als Geschenk für Frauen, die gerne etwas flüssiger Geschriebenes lesen. Mir war vieles doch zu vorhersehbar. So sehe ich es auch bei dem vorliegenden neuen Titel der Autorin. In zwei Erzählsträngen wird einerseits die Geschichte der Gründung des Frauenhauses in Paris erzählt und im Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt, die Geschichte einer Anwältin, die in einer persönlichen (Berufs-)krise steckend eine neue Aufgabe sucht, und diese in der Beratung benachteiligter Frauen findet.

Verlagsbeschreibung:

In Paris steht ein Haus, das allen Frauen dieser Welt Zuflucht bietet. Auch der erfolgreichen Anwältin Solène, die nach einem Zusammenbruch ihr Leben in Frage stellt. Im "Haus der Frauen" schreibt sie nun im Auftrag der Bewohnerinnen Briefe - an die Ausländerbehörde, den zurückgelassenen Sohn in Guinea, den Geliebten - und erfährt das Glück des Zusammenhalts und die Magie dieses Hauses. Weil Solène anderen hilft, hat ihr Leben wieder einen Sinn. Doch wer war die Frau, die vor hundert Jahren allen Widerständen zum Trotz diesen Schutzort schuf? Solène beschließt, die Geschichte der Begründerin Blanche Peyron aufzuschreiben. Ein ergreifender Roman über mutige Frauen und ein Plädoyer für mehr Solidarität.

Fischerverlage, 256 S., gebunden, EUR 20.--

auch von der Autorin: Der Zopf
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Mein Favorit für den Leipziger Buchpreis - und schon wieder hat Ingo Schulze ihn nicht bekommen!

Ich habe den Roman aber sehr gern gelesen. Welch Sprache, welch Erzähltalent (weiß man spätestens seit seinem letzten Roman Peter Holtz) und: welch eigenartige, faszinierende Konstruktion!

Jurybeschreibung:

Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder. Wie wird ein aufrechter Büchermensch zum Reaktionär – oder zum Revoluzzer? Dieser Frage geht Ingo Schulze in seinem neuen Roman nach. Norbert Paulini ist ein hoch geachteter Dresdner Antiquar; bei ihm finden Bücherliebhaber Schätze und Gleichgesinnte. Auch in den neuen Zeiten, als die Kunden ausbleiben, versucht er, seine Position zu behaupten. Doch plötzlich steht ein aufbrausender, unversöhnlicher Paulini vor uns, der beschuldigt wird, an fremdenfeindlichen Ausschreitungen beteiligt zu sein. Die Geschichte nimmt eine virtuose Volte: Ist Paulini ein Reaktionär oder ein Revolutionär, eine tragische Figur oder ein Mörder?

Fischer Verlag, 320 S., gebunden, EUR 21.--

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Das war mein Platz 2 bei den Nominierungen für Leipzig 2020.

Sehr außergewöhnliche Geschichte!

Jurybeschreibung:

Verena Güntner: Power. Die junge selbstbewusste Kerze lebt in einem von Wald und Feldern umgebenen Dorf, das kaum mehr zweihundert Bewohner*innen zählt. Kerze verteidigt ihr Dorf gegen den Schwund, sie ist hier fest verwurzelt. Als eines Tages Power, der Hund ihrer Nachbarin Hitschke, verschwindet, verspricht Kerze, ihn wiederzufinden. Ihrer Suche schließen sich nach und nach immer mehr Kinder an. Als diese schließlich im Wald verschwinden, erklärt die Dorfgemeinschaft den Ausnahmezustand. Verena Güntner erzählt in ihrem Roman die Geschichte einer Radikalisierung und davon, was mit einer Gemeinschaft geschieht, die den Kontakt zu ihren Kindern verliert.

DuMont, 254 S., gebunden EUR 22.--

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