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Lügen über meine Mutter
von Daniela Dröscher
Auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2022
Eine Ehefrau kämpft in den 80erJahren (die mir wie die 60erJahre vorkommen) um ihre weibliche Selbstbestimmung. Sie ist gefangen in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter. Ihre Versuche eigenständig und selbstverantwortlich durchs Leben zu gehen, werden immer wieder im Keim erstickt. Mal ist es die erneute Schwangerschaft, dann die an Demenz leidende Mutter, und vor allem ihr Ehemann, der an Oberflächlichkeit kaum zu überbieten ist und doch steht sie immer wieder auf. Wüßten Frauen es nicht besser, würde man der Autorin schwarz-weiß-Malerei unterstellen.
Inhalt:
Lügen über meine Mutter« ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht?
Schonungslos und eindrücklich lässt Daniela Dröscher ihr kindliches Alter Ego die Jahre, in denen sich dieses »Kammerspiel namens Familie« abspielte, noch einmal durchleben. Ihr gelingt ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen.
Kiwi-Verlag, 448 S., EUR 24.--
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