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Zitronen
von Valerie Fritsch
Ich lehne mich bestimmt nicht zu weit aus dem Fenster: dieser Roman könnte es schaffen, für den den Deutschen Buchpreis nominiert zu werden, für die Nominierung des Leipziger Buchpreises ist es zu wohl zu spät erschienen.
Der Roman reduziert das Geschehen auf wenige Episoden im Leben der Romanfiguren, trotzdem ist es kein nüchternes Erzählen, sondern im Gegenteil, in der Auswahl liegt die Kraft der Erzählung, und die der Sprache. Bei den Protagonist:innen konzentriert sich die Autorin auf das Wesentliche, das aber auf eine Weise, dass es Gänsehaut erzeugt. Der Plot: eine Mutter mit Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, ein Junge, der sich sowohl in Kindheit und Jugend, als auch als erwachsener Mann nicht befreien kann, ein Dorf voller Mißtrauen, die Loslösung trotzdem schwierig. Ein Silberstreif am Horizont, der den Jungen kurz in eine andere Welt entführt, doch die Wirklichkeit holt ihn schnell zurück. Auch sein zweiter Ausbruch als Erwachsener ist zum Scheitern verurteilt.
Wieder ein Roman der Autorin, der spektakulär ist.
Verlagsbeschreibung, Inhalt:
August Drach wächst in einem Haus am Dorfrand auf, das Hölle und Paradies zugleich ist. Der Vater, von sich und dem Leben enttäuscht, misshandelt seinen Sohn, Zärtlichkeit hat er nur für die Hunde übrig. Trost findet August bei seiner Mutter, die ihn liebevoll umsorgt. Doch als der Vater die Familie verlässt, verwandelt sich die Zuwendung der Mutter: Sie mischt August heimlich Medikamente ins Essen, schwächt das Kind, macht es krank; von seiner Pflege verspricht sie sich Aufmerksamkeit und Bewunderung. Erst Jahre später gelingt es August, sich aus den Fängen der Mutter zu befreien, ein unabhängiges Leben zu führen, erste Liebe zu erfahren. Doch wie lernt ein erwachsener Mensch, das Rätsel einer Kindheit zu lösen, in der Grausamkeit und Liebe untrennbar zusammengehören? Wie durchbricht er den Kreislauf von Lügen und Betrügen? Und was passiert, wenn sich dieser Mensch, Jahre später, an den Ursprung des Schmerzes zurückwagt?
Sprachgewaltig, in packenden Bildern und Episoden erzählt Valerie Fritsch in ihrem neuen Roman von der Ungeheuerlichkeit einer Liebe, die hilflos und schwach macht, die den anderen in mentaler und körperlicher Abhängigkeit hält. Ein Entkommen ist nicht vorgesehen, es sei denn um den Preis, selbst schuldig zu werden.
Suhrkamp, 186 S., EUR 24.--
Erscheinungsdatum:
12.02.2024
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