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Romane 2021

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Hard Land

 

Roman

von Bendecit Wells

Seit kurzem im Handel: und wer Benedikt Wells kennt, hat sehnsüchtig darauf gewartet!

Nach "Das Ende der Einsamkeit" wieder vor allem sprachlich, ein geniales Werk. Zur Veranschaulichung folgende Leseprobe: "Es war der Anfang der Sommerferien, und vom Berg an Langeweile, der vor mir aufragte, hatte ich noch nicht mal die Spitze abgetragen." Das ist es, was den Autor und auch das vorliegende Werk ausmacht.
Nachdem meine letzte Belletristik-Lektüre aus Büchern von Bloggern bestand, bin ich wieder gelandet und bade in den wohlgewählten Sätzen von Benedikt Wells, (der Autor ist auch erst Mitte 30) aber welch ein Unterschied. Bin ich zu "Old-School"? Wenn ja, dann stehe ich dazu!

Wie auch schon beim Werk "Das Ende der Einsamkeit" ist es nicht die Handlung, oder die Anlage der Charaktere, die das Buch so Besonders machen. Die Handlung ist auch schnell erzählt, ohne viel vorwegzunehmen. Schon der erste Satz nimmt diese vorweg: "In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb." Was folgt ist eine "coming of Age" Geschichte, eines fast 16jährigen, dessen Leben in diesem besagten Sommer die Wende zum Erwachsensein bringt.

In Sams Welt stirbt alles langsam, das war vorhersehbar, im öffentlichen wie im privaten Raum, doch im schleichenden Prozess lag immer noch eine Hoffnung. Wie im Niedergang des Dorfes, wo die Buchhandlung und das Kino weiterexistieren, doch sie bröckelt und manifestiert sich dann im Untergang des Kinos, das die letzte Spielzeit in eben diesem Sommer hat. Sam bekommt noch einen Ferienjob im Kino, er findet, als Außenseiter abgestempelt, doch noch Zugang zu den anderen Jugendlichen, die im Kino abhängen, doch auch das ist brüchig - denn was kommt wenn der Sommer vorbei ist. Dies setzt sich fort im privaten Bereich, denn auch die Hoffnung dass seine Mutter den Krebs besiegt hat, war trügerisch, und die Freundschaft und erste Liebe?

Ein Buch der leisen Töne, vom Leben, Sterben und allem dazwischen aus der Sicht eines jungen Erwachsenen.

Diogenes, 342 S., Leinen, EUR 24.--

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Über Menschen

 

von Juli Zeh


Ein hochaktueller Roman, scharf beobachtet und mit einem unfassbaren Gespür für das "Corona"-Empfinden und die Spannungen innerhalb und zwischen den Fronten in unserer Gesellschaft, Verständnis und Mißverständnis, Toleranz und Ignoranz und trotzallem die Geschichte einer unmöglichen Freundschaft.

Inhalt:

Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. Ihr zeigen sich Menschen, die in kein Raster passen, ihre Vorstellungen und ihr bisheriges Leben aufs Massivste herausfordern und sie etwas erfahren lassen, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie es sucht.

Wer "Unterleuten" gerne gelesen hat, wird auch "Über Menschen" gerne lesen.

Nur diesesmal entzünden sich die Nachbarschaftskonflikte nicht an der Frage "Windkraftanlage ja-nein", oder an den "DDR-Altlasten" sondern entlang des Themas "Umgang mit der Corona-Pandemie", und der Frage "Darf ein Nazi ein guter Nachbar sein". Sensibel und trotzdem bissig legt Juli Zeh ihren Protagonist*innen das in den Mund, was den einen durch den Kopf und den anderen am Allerwertesten (vorbei) geht. Dabei vermeidet sie Schwarz-Weiß-Zeichnung, und spürt so die Widersprüche auf.

Gut zu lesen, viel Stoff zum Nachdenken über das Verhalten der Menschen, auch zu Zeiten der Pandemie, wenn man das nicht schon sowieso die ganze Zeit tut!

Ich würde spoilern, wenn ich mich zum Fortschreiten und dem Ausgang der "Nachbarschaftsbeziehung" äußern würde - aber es sei nur gesagt, ich hätte mir eine andere Auflösung gewünscht. Die erzeugte Spannung, darin begründet, das man sich als Leser*in fragt, wie Juli Zeh diese Widersprüche wohl auflöst, war aber auch ein Grund dafür, dass ich das Buch an einem Sonntagnachmittag in einem Zug gelesen habe. Also kann die Autorin so viel auch nicht falsch gemacht haben.

Luchterhand Verlag, 416 S., gebunden EUR 22.-- 

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Erste Person Singular


von Haruki Murakami

Murakamis Erzählungen nehmen einen nicht unwesentlichen Platz in seinem schriftstellerischen Werk und Können ein. Obwohl ich kein Fan von Kurzstorys bin, überrascht mich Murakami positiv. Seine Erzählungen sind so "murakamisch" wie seine Romane. Schriftsteller eben...

Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Frauen, die verschwinden, eine fiktive Bossa-Nova-Platte von Charlie Parker, ein sprechender Affe und ein Mann, der sich fragt, wie er wurde, was er ist: Die Rätsel um die Menschen, Dinge, Wesen und Momente, die uns für immer prägen, beschäftigen die Ich-Erzähler der acht Geschichten in "Erste Person Singular". Es sind klassische Murakami-Erzähler, die uns in eine Welt aus nostalgischen Jugenderinnerungen, vergangenen Liebschaften, philosophischen Betrachtungen, Literatur, Musik und Baseball entführen. Melancholisch, bestechend intelligent und tragikomisch im allerbesten Wortsinn sind diese Geschichten, die wie beiläufig mit der Grenze zwischen Fiktion und Realität spielen und immer wieder den Verdacht nahelegen, dass Autor und Ich-Erzähler mehr als nur ein paar Gemeinsamkeiten haben.

DuMont, 224 S., EUR 22-

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Klara und die Sonne


von Kazuo Ishiguro
Der neue Roman des Nobelpreisträgers

Wirklich beeindruckend! Die Sicht einer künstlichen Intelligenz auf die Menschen.

Erzählt wird aus Sicht von Klara, sie ist eine künstliche Intelligenz, entwickelt, Jugendlichen eine Gefährtin zu sein auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Vom Schaufenster eines Spielzeuggeschäfts aus beobachtet sie genau, was draußen vor sich geht, studiert das Verhalten der Kundinnen und Kunden und hofft, bald von einem jungen Menschen als neue Freundin ausgewählt zu werden. Dies geschieht, und sie landet bei einem Mädchen, Sofie. Doch die Menschen, vor allem die Kinder, das ganze spielt in einer Welt in naher Zukunft, stellen sie vor viele Rätsel. Ihr Verhalten und vor allem die Emotionen sind für sie nicht nachvollzieh- und berechenbar. Doch auch uns Leser*innen mutet das überwiegend digital gesteuerte Leben dieser Generation in naher Zukunft seltsam an. Man versteht Klara und ihr Zweifeln besser als die Menschen.

Man stolpert am Anfang über Klaras Sprache, was zuerst befremdlich wirkt, entwickelt sich als zusätzliches geniales sprachliches Ausdrucksmittel.

Leseempfehlung!


Blessing, 352 S., gebunden EUR 24.--

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Mädchen, Frau etc.


Roman von Bernardine Evaristos

Booker Prize 2019

"Ein beeindruckender, leidenschaftlicher Roman über das Leben schwarzer britischer Familien, ihre Kämpfe, Schmerzen, ihr Lachen, ihre Sehnsüchte und Lieben." Jury des Booker-Preises

Es ist ein Buch über starke Frauen, schwarze Frauen, lesbische Frauen, Generationenkonflikte zwischen Frauen, Gentrifizierung, und ein Statement für sexuelle und ethnische Diversity... Aber und das ist viel wichtiger: es ist ein unterhaltsames Buch. Es hat Tempo, es hat Rhythmus, es macht Spaß diesen Roman zu lesen.


Inhalt, Verlagsbeschreibung:

Die Dramatikerin Amma steht kurz vor dem Durchbruch. In ihrer ersten Inszenierung am Londoner National Theatre setzt sie sich mit ihrer Identität als schwarze, lesbische Frau auseinander. Ihre gute Freundin Shirley hingegen ist nach jahrzehntelanger Arbeit an unterfinanzierten Londoner Schulen ausgebrannt. Carole hat Shirley, ihrer ehemaligen Lehrerin, viel zu verdanken, sie arbeitet inzwischen als erfolgreiche Investmentbankerin. Caroles Mutter Bummi will ebenfalls auf eigenen Füßen stehen und gründet eine Reinigungsfirma. Sie ist in Nigeria in armen Verhältnissen aufgewachsen und hat ihrer Tochter Carole aus guten Gründen einen englischen Vornamen gegeben.
Auch wenn die Frauen, ihre Rollen und Lebensgeschichten in Bernardine Evaristos Mädchen, Frau etc. sehr unterschiedlich sind, ihre Entscheidungen, ihre Kämpfe, ihre Fragen stehen niemals nur für sich, sie alle erzählen von dem Wunsch, einen Platz in dieser Welt zu finden.  
Tropen Verlag, 508 S., EUR 25.--

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Der Mann im roten Rock


von Julian Barnes

Ein fesselndes Zeitporträt der Belle Époque.

Julian Barnes lässt eine Fülle von Material in eine kurzweilig zu lesende Epochenbeschreibung fließen, in deren Mittelpunkt der Arzt und Gynäkologe Dr. Samuel Pozzi (1846–1918) steht. Julian Barnes zeichnet das Bild einer ganzen Epoche am Beispiel dieses charismatischen Mannes. Er erzählt unterhaltsam Kulturgeschichten über den Fin de Siècle und seine Protagonistinnen und Protagonisten: Maler, Politiker, Künstler, Schauspieler, Schriftsteller.
Es ist kein Roman, und doch fühlt man sich durch Barnes Sprache, in die Geschichte hineingezogen, als wäre es ein Roman. Manchmal reibt man sich auch verwundert die Augen, ist das jetzt Fakt oder Fiktion, Anekdoten oder Legenden, was Julian Barnes so meisterhaft zu Papier bringt.
Bemerkenswert ist noch die Ausstattung des Buches mit vielen Fotos von Gemälden, die auch Julian Barnes Kunstverständnis und Analysefähigkeit und seine Liebe zum Ausdruck bringen.

Kiepenheuer&Witsch, 304 S., EUR 24.--

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Die Geschichte eines Lügners


Roman

von John Boyne


Super Leseerlebnis!
An Büchern von John Boyne kann ich sowieso nicht vorbeigehen (-lesen). Ob es sich um seine Jugendbücher handelt, da ist vor allem bekannt: "Der Junge im gestreiften Pynama", oder das Buch "Der Junge auf dem Berg", in dem es um einen in Paris aufgewachsenen Jungen geht, der auf dem Obersalzberg zum überzeugten Hitlerjunge wird, oder um  sein letztes Jugendbuch "Mein Bruder heißt Jessica" der das Thema Transsexualität hat -  oder um seine Romane über seine irische Heimat. Da will ich vor allem "Cyrill Avery" hervorheben, wohlwissend, dass es nicht jedermanns Sache ist, einen Roman über die traurige Geschichte der Verfolgung gleichgeschlechtlicher Liebe und Sex unter Männern in Irland zu lesen.

Im neuen Werk von John Boyne geht es um einen jungen begabten Schriftsteller, der wohl schreiben kann, der aber an Ideenlosigkeit leidet. Also bedient er sich der Geschichten anderer. Skrupellos! Maurice macht Erinnerungen und Ideen anderer zu seinen eigenen Geschichten. Und kommt durch, immer wieder. Und der Autor schafft es vortrefflich, dass man mitfiebert, man am liebsten in das Buch hineinkriechen würde, um den vom Betrug bedrohten und getäuschten Menschen wachzurütteln. Wie naiv die Literaten, wie empfänglich für Lob und Ruhm. Die Literaturszene im Fiktiven als auch im Realen, birgt und bringt genau solche Selbstdarsteller und Täuscher hervor. Wäre die Szene nicht so, wäre die Geschichte nicht möglich.

Auch die Sehnsüchte älterer Männer nach ihrer eigenen vergangenen und vergeudeten Jugend, manifestiert durch das Anbeten junger schöner Männern, spielt eine traurige Rolle in diesem Roman.

Piper Verlag, 432 S., EUR 24.--

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DAVE


Roman
von Raphaela Edelbauer

Wie "menschlich" ist bzw. kann Künstliche Intelligenz (sein)? Und wo bleibt dann der Mensch? Und wer hat dann die Macht?

Inhalt:

In nicht allzuferner Zukunft: Das Ziel des gesamten Labors in dem der Programmierer Syz schläft, lebt und arbeitet, ist nichts Geringeres als die Programmierung der ersten generellen Künstlichen Intelligenz, die mit einer Höchstleistung an Rechenkraft und mit menschlichem Bewusstsein ausgestattet ist, sie trägt den Namen: DAVE. ...

Verlagsbeschreibung: Während das Labor in blinder Technikgläubigkeit weiterhin auf die Verwirklichung der Künstlichen Superintelligenz hinarbeitet, taucht Syz tief in die Geschichte des Labors ein und versucht herauszufinden, wessen Interessen DAVE am Ende eigentlich dient."

Nach dem großen Erfolg von »Das flüssige Land« legt Raphaela Edelbauer einen einzigartigen Roman (fand ich auch! Anmerkung Wissothek) über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Künstlichen Intelligenz vor.

Klett-Cotta, 432 S., gebunden, EUR 25.--

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Trost

 

von Thea Dorn

Verlagsbeschreibung:
"Wie geht es Dir?" Als Johanna von Max, ihrem alten philosophischen Lehrer, eine Postkarte mit dieser scheinbar harmlosen Frage erhält, bricht es aus ihr hervor: die Trauer über den Tod ihrer Mutter, die Wut, dass man ihr im Krankenhaus verwehrt hat, die Sterbende zu begleiten. Provoziert durch weitere Postkarten, beginnt Johanna, sich den Dämonen hinter ihrer Verzweiflung zu stellen.

In einem einzigartigen Postkarten-Briefroman erzählt die Literatin und Philosophin Thea Dorn von den vielleicht größten Themen, die der gottferne, von seinen technologischen Möglichkeiten berauschte Mensch verdrängt: von der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit, von der Suche nach Trost in trostlosen Zeiten.

»Richtig gute Literatur ist immer auch Philosophie mit erzählerischen Mitteln – und das gelingt Thea Dorn in Trost. Ein anrührender Briefroman und eine Auseinandersetzung mit den großen Fragen unserer Zeit.«
Juli Zeh


Penguin Hardcover, 176 S., EUR 16.--

   
   
   
   
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