Demon Copperhead
Demon Copperhead
Dementsprechend sind die Erwartungen hoch und, sie werden größtenteils auch erfüllt. Es ist eine Geschichte, die einen tief in das Leben - und das Unglück - der Menschen katapultiert, die in einem Landesteil der USA leben, der nicht gerade zu den angesehensten Regionen der USA gehört. Es ist die Geschichte der Menschen aus Kentucky, Tenessee und West-Virginia, die darunter zu leiden haben, als Rednecks, Hillbillys, übersetzt "Hinterwäldler" oder Schlimmeres, abgestempelt zu werden. Menschen, die in trashigen Trailerparks wohnen, sich ihren Whiskey selbst brennen, Tabak anbauen, frühere Bergarbeiter - die Alten auch von dieser Arbeit gezeichnet - die jetzt von der Hand in den Mund leben müssen. Familienclans mit ihren eigenen Gesetzen, Foodball als Religion, Schulerfolg nebensächlich, ausbrechende Kids, die sich mit Drogen, Gewalt- und Kleinkriminalität durchs und ums Leben bringen, die Fehler ihrer Eltern wiederholend. Und es ist auch die Geschichte des skurpellosen Vorgehens von Pharmakonzernen und -vertretern, die ihr Geld mit dem Handel und der Abhängigkeit von Opioiden verdienen. Deman Copperfeald ist einer der Jugendlichen, der diese Vorurteile bedient. Mutter drogensüchtig, Stiefvater gewalttätig: Lebensweg vorgezeichnet. Aber Demon ist sehr sensibel, hängt an seinem besten Freund und dessen Familie. Ausgestattet mit einem Talent zum Zeichnen, kann er wenigstens in Gedanken aus der Enge ausbrechen. Er ist immer auf der Suche nach einem Platz, an dem er bleiben kann, einer "Mammaw" einer Art Großmutter. Er hat dann Glück und findet eine Lehrerin die sein Talent erkennt, einen Coach, der ihn fördert... Scheitern trotzdem vorgezeichnet. Das war auch der Punkt, als ich dachte, die Story kippt, alles so schon zu oft gelesen....Doch das Weiterlesen lohnt, denn der Roman ist mehr. Er rückt die sozialen Bedingungen die das Aufwachsen von Kindern und das staatliche Versagen des Erziehungswesens und Vieles mehr in den Vordergrund, das letztendlich das Scheitern in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter fast zwangsläufig zur Folge hat. Wenige der Kids schaffen es. Das Buch erzählt von denen, die es nicht geschafft haben, sich aus dem Sumpf ihrer Herkunft zu befreien und denjenigen, die durch die Hölle gegangen sind, bevor sie es noch kurz vor knapp geschafft haben. Power am Schluß: Ursachen und Analyse der Lebensumstände und Geschichte der Region treten besonders im letzten Drittel des Buches in den Vordergrund. Es ist Tommy, der langjährige Freund, Leidenswaisenbruder und Coautor von Demons Comics, der zusammen mit Demon, in den Comics, den Menschen ihrer Region eine Stimme gibt. Gemeinsam wollen sie die Verursacher der Krise in den Fokus rücken, aber auch den Stolz der Menschen aufrichten, und, im gleichen Zug, den Vorurteilen anderer etwas entgegensetzen. Ob sie damit etwas bewegen, verändern können? Verändern könnten im wahren Leben? Es ist ein Roman. Doch der Bezug zur Realität ist sehr nahe, Stichwort Opioidkrise in den USA. Die Opiatabhängigkeit und die Abwärtsspirale, die dadurch in Gang gesetzt wird, die stetig steigenden Drogentoten, sowie die, die daran verdienen, sind in den USA mehr denn je Thema. Lesenswert, aber es ist Geduld erforderlich. Es sind 862 Seiten. »Als hätten die Coen-Brüder Dickens verfilmt.« The Times dtv Verlag, 862 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, EUR 26.-- |