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Über Menschen

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Über Menschen

 

von Juli Zeh

Ein hochaktueller Roman, scharf beobachtet und mit einem unfassbaren Gespür für das "Corona"-Empfinden und die Spannungen innerhalb und zwischen den Fronten in unserer Gesellschaft, Verständnis und Mißverständnis, Toleranz und Ignoranz und trotzallem die Geschichte einer unmöglichen Freundschaft.

Inhalt:

Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. Ihr zeigen sich Menschen, die in kein Raster passen, ihre Vorstellungen und ihr bisheriges Leben aufs Massivste herausfordern und sie etwas erfahren lassen, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie es sucht.

Wer "Unterleuten" gerne gelesen hat, wird auch "Über Menschen" gerne lesen.

Nur diesesmal entzünden sich die Nachbarschaftskonflikte nicht an der Frage "Windkraftanlage ja-nein", oder an den "DDR-Altlasten" sondern entlang des Themas "Umgang mit der Corona-Pandemie", und der Frage "Darf ein Nazi ein guter Nachbar sein". Sensibel und trotzdem bissig legt Juli Zeh ihren Protagonist*innen das in den Mund, was den einen durch den Kopf und den anderen am Allerwertesten (vorbei) geht. Dabei vermeidet sie Schwarz-Weiß-Zeichnung, und spürt so die Widersprüche auf. Ich würde spoilern, wenn ich mich zum Fortschreiten und dem Ausgang der "Nachbarschaftsbeziehung" äußern würde - aber es sei nur gesagt, ich hätte mir eine andere Auflösung gewünscht.

Gut zu lesen, viel Stoff zum Nachdenken über das Verhalten der Menschen, auch zu Zeiten der Pandemie, wenn man das nicht schon sowieso die ganze Zeit tut!

Ich würde spoilern, wenn ich mich zum Fortschreiten und dem Ausgang der "Nachbarschaftsbeziehung" äußern würde - aber es sei nur gesagt, ich hätte mir eine andere Auflösung gewünscht. Die erzeugte Spannung, darin begründet, das man sich als Leser*in fragt, wie Juli Zeh diese Widersprüche wohl auflöst, war aber auch ein Grund dafür, dass ich das Buch an einem Sonntagnachmittag in einem Zug gelesen habe. Also kann die Autorin so viel auch nicht falsch gemacht haben.

Luchterhand Verlag, 416 S., gebunden EUR 22.--

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