Krieg und das Mädchen
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Der Krieg und das Mädchen
von Jürgen Seidel Der Autor ist dafür bekannt, bei geschichtlichen Themen, den Fokus auf wichtige, aber zu kurz gekommene Aspekte zu richten. So auch bei diesem Buch dessen Handlung 1914 in Berlin spielt. Doch im Vordergrund stehen nicht, wie bei so vielen Büchern zu diesem Thema, die Kriegseuphorie von jungen Menschen und deren Realitätsschock an der Front. Im Mittelpunkt stehen Jugendliche, 16 Jahre alt, Gymnasiasten, Humanisten, Antipreußen, denen Kunst, Kultur, Freiheit und das Recht auf eine eigene Meinung wichtig ist. Doch da haben sie schlechte Karten im Jahr 1914. Alles ist schon auf militärischen Drill eingestellt, die Messer gegen alle Nichtdeutschen werden gewetzt, verdächtig jeder der sich eigene Gedanken macht, v.a. wenn man auch noch, wie Mila, die weibliche Hauptperson des Romanes, einen französischen Namen trägt. Mila, Fritz, ihrer Freund und dessen Schulfreunde haben einen Künstlerbund gegründet, und kommen mehr oder weniger regelmässig zusammen. Das Unglück nimmt seinen Lauf als Mila die Jungenklasse in deren Sommerfrische am Müggelsee, besucht. Auf der Fahrt lernt sie Sheena, eine Feministin und Pazifisten und Bekannte der kürzlich verstorbenen Bertha von Suttner, kennen. Sie verstehen sich auf Anhieb. Doch Sheena ist wegen ihrer radikalen Ansichten im Visier der preußischen Staatsmacht. Um ihren Ruf zu retten, will sie ihre Familie mit einem Beamten der Staatsicherheit verheiraten. Als sie dies verweigert gerät sie in große Gefahr. Und sie zieht Mila und deren Mutter ungewollt mit hinein. Hinzu kommt, dass Mila mit einem herzkranken Lehrer von Fritz, der als Franzosenhasser bekannt ist, eine harte Auseinandersetzung hat, während dieser der Lehrer tot zusammenbricht. Der zweite Erzählstrang in diesem Roman gilt Fritz, und dessen Angst vor seiner, von ihm mit allen Mitteln unterdrückten und verweigerten Homosexualität. Er ist mit Mila zusammen, kann sie jedoch nicht berühren. Seine Sehnsucht gilt seinem besten Freund. Er ist der Zerrissenste unter den Jugendlichen. Vom Krieg, der Front mit all den ihm bewußten Gefahren, erhofft er sich Heilung, eine Art Austreibung des bösen Geistes Homosexualität. Auch die Charakteren der anderen beteiligten Jugendlichen und den Erwachsenen sind vom Autor aufs Beste ausgearbeitet, sehr interessant und facettenreich, starke Persönlichkeiten, und ihre Schwächen, und schwache Persönlichkeiten und ihre Stärken. Sie bringen einem die Zeit, vor allem die politischen Hintergründe der Zeit, nahe. Gleichzeitig ist das Gruppen- und Sozialverhalten der Jugendlichen auf unsere heutige Zeit übertragbar. Der Fokus darauf, wie sich Menschen, auch Jugendliche oft gepaart mit jugendlichem Leichtsinn und nicht immer konsequent und durchdacht, gegen die preußische Allmacht stellen, gegen den Krieg, die preußische Disziplin, das Heldentum und den Nationalismus, bereichern die Sicht auf diese Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg. Ich kann dieses Buch nur empfehlen! Altersempfehlung: 13-17 Jahre. cbj, 473 S., EUR 16,99 |
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