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Jugendliteraturpreis 2021

NOMINIERUNGEN BILDERBUCH 
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Alfie und der Clownfisch


von Davina Bell (Text),
Allison Colpoys (Illustration),

Jurybegründung

Alfie ist zu einem Kostümfest eingeladen, seine Eltern haben ihm eigens ein blaues Seestern-Kostüm besorgt. Aber Alfie macht einen Rückzieher, Erinnerungen an unangenehme Situationen tauchen auf. Im Traum bedrohen ihn Meeresungeheuer, Luftblasen und Wassermassen. Zum Glück hat er Eltern, die ihn nicht bedrängen. Stattdessen schlägt ihm seine Mutter vor, gemeinsam mit ihr etwas Schönes zu unternehmen. Im Aquarium entdeckt er einen Wahlverwandten, einen kleinen Fisch, der sich gerne versteckt. Eine Idee für die nächste Verkleidungsparty?

Einfühlsam und in einer klaren Sprache, schnörkellos von Salah Naoura übersetzt, erzählt Davina Bell von den Nöten eines schüchternen Jungen. Kinder und die vorlesenden Erwachsenen können in Alfies Gefühlswelt eintauchen, welche die Illustratorin Allison Colpoys mit einer reduzierten Formensprache ausdrucksvoll in Szene setzt. Sie schöpft aus der Vielfalt der australischen Unterwasserwelt und spielt grandios mit den vermeintlich genderstereotyp besetzten Farben Neon-Rosa und Blau. Mit wenigen Strichen akzentuiert sie Alfies Mimik und Körpersprache, die seine sich verändernden Seelenzustände widerspiegeln. Ein zartes Bilderbuch, das es in sich hat!

Insel, 32 S., EUR 14,90
Nominierung 2021, Kategorie: Bilderbuch
Ab 4 Jahren
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Unsichtbar in der großen Stadt


Sydney Smith (Text, Illustration),
Bernadette Ott (Übersetzung)

Jurybegründung

Unerhört – ein Kind läuft ganz allein durch eine hektische, verwirrende Großstadt! Hochhäuser, Baustellen, Verkehr, Gedränge und Lärm stürmen auf es ein. Alles blinkt und blendet. Das Kind lässt sich überhaupt nicht davon beirren. Es geht einfach seinen Weg, selbst als es plötzlich zu schneien beginnt, Parkbänke und Bäume unter dem dichten Weiß verschwinden und die vielen Autos das Schneetreiben in Matsch verwandeln. Im von Bernadette Ott behutsam übersetzten Text spricht der Ich-Erzähler dabei fortwährend ein rätselhaftes „Du“ an, ermutigt es, warnt vor gefährlichen Orten, verrät sichere Verstecke und Abkürzungen. Wer spricht hier mit wem?

Was für ein mutiger und genialer Einstieg in eine Bilderbuchgeschichte, die sich bis zu einem verblüffenden Ende atemberaubend steigert. Ästhetisch zieht der kanadische Bilderbuchkünstler Sydney Smith alle Register seines Könnens. Virtuos arbeitet er mit Licht und den Aggregatzuständen von Wasser, variiert gekonnt alle Schattierungen von Schwarz, Grau und Weiß, nur durchbrochen von wenigen Farbtupfern, und wechselt kleine Formate mit opulenten Doppelseiten ab. Dabei versteckt er so manch bildliche Fährte, die beim Immer-Wieder-Anschauen entdeckt werden kann. Das alles erzeugt eine geradezu filmische Spannung, bis am Ende nicht nur das Kind das sichere Zuhause erreicht.

Aladin, 48 S., EUR 18.--

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Bilderbuch
Ab 4 Jahren
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189


Dieter Böge (Text),
Elsa Klever (Illustration)

Jurybegründung

„In einem behaglichen Zimmer, das ein wenig nach frisch gesägtem Holz riecht …“ – Dort, in einem Bergwerksdorf im Harz des 19. Jahrhunderts beginnt die Geschichte von einem kleinen Kanarienvogel. Er erfreut die Menschen mit seinem außergewöhnlichen Gesang. Und er hat noch eine Aufgabe in seinem Domizil bei den Menschen: Bisweilen wird er im Käfig mit in die Grube genommen. Auch unter Tage singt er – wenn er verstummt, sind die Grubenleute gewarnt: Die Atemluft wird knapp! Durch ihren speziellen Gesang sind die Kanarienvögel aus dem Harz weltberühmt geworden. So wird das Tier eines Tages von einem Händler erworben, mit 188 weiteren, jeder in einem kleinen Käfig, auf ein Tragegestell gebunden und zu einer abenteuerlichen Reise über das Meer bis in die USA verschifft.

In diesem Bilderbuch trifft Dieter Böges historische Erzählung auf eine überraschend innovative Bildgestaltung. Elsa Klever lässt in ihren phantasieanregenden Illustrationen den Gesang des Vogels hörbar und seine Träume sichtbar werden. Sie zeigt ihn als Handelsobjekt und Statussymbol stellvertretend für viele seiner Artgenossen. Detailreich ausgestattete Szenen machen in wechselnden Perspektiven die Stationen der Reise sehr anschaulich.

Aladin, 48 S., EUR 17.--
Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Bilderbuch
Ab 5 Jahren
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Im Garten von Monet


Kaatje Vermeire (Text, Illustration)
Eva Schweikart (Übersetzung)

Jurybegründung

Kaatje Vermeire stellt Kindern den Impressionisten Claude Monet vor. Sie portraitiert ihn, indem sie seine Empfindungen für die Schönheit der Natur und für seine Frau Camille einfühlsam zart zum Ausdruck bringt. In ihren großformatigen Bildern zeigt Vermeire Monet als Person und interpretiert seinen Stil. Sie lässt seine künstlerische Entwicklung über seine Lebensspanne hinweg in ihren Bildern deutlich werden und wendet dabei ähnliche Techniken an wie er. Besonders ist dieses Buch auch deshalb, weil es eine eher unbekannte Seite des Künstlers andeutet. Einzelne doppelseitige Bildszenen in blassen Farbtönen lassen Monets innere Entwicklung und seinen Schmerz um den Verlust seiner großen Liebe erkennen.

Der knappe Text – von Eva Schweikart gekonnt übersetzt – gibt Einblick in die Erlebnis- und Wahrnehmungswelt des großen Künstlers. Monet wollte nicht abbilden, sondern ermöglichte es mit seinem damals revolutionären Stil, dass erstmals Beziehung und Empfindung in der Darstellung von Bildmotiven zum Ausdruck kommen durften. Dieses Bilderbuch ist eine außergewöhnliche Hinführung zum Leben und zur Kunst Monets und zum Impressionismus.

Freies Geistesleben, 32 S., EUR 18,00
Originalsprache: Niederländisch
Nominierung 2021, Kategorie: Bilderbuch
Ab 5 Jahren
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Der kleine Fuchs


Edward van de Vendel (Text),
Marije Tolman (Illustration),
Rolf Erdorf (Übersetzung)

Jurybegründung

Voller Übermut saust ein kleiner Fuchs in einer weiten Dünenlandschaft herum und jagt Schmetterlingen hinterher, bis er plötzlich weit durch die Luft fliegt und mit einem heftigen Schlag auf dem Strand aufprallt. Reglos liegt er auf dem Rücken und beginnt, von den Stationen seines Lebens zu träumen. Von seiner Kindheit, wie er mit den Geschwistern gespielt und neugierig die Welt entdeckt hat. Er erinnert sich, wie einmal sein Kopf in einem Menschenobjekt feststeckte und ihn ein Kind daraus befreit hat. Dieser Junge findet ihn jetzt und trägt ihn zu seiner Fuchsfamilie zurück – zum Glück scheint alles wieder gut zu sein.

Selten sind in einem Bilderbuch die Facetten zwischen realem Erleben und Phantasieren so vielschichtig eingefangen worden, feiern Text und Illustration die Schönheit und die Zerbrechlichkeit des Lebens. Edward van den Vendels Text changiert in der zarten Übersetzung von Rolf Erdorf zwischen vergnüglichen Episoden aus dem Fuchsleben und philosophisch-poetischen Innensichten. Marije Tolman lässt den orangeleuchtenden Fuchs in einer superrealen bläulichen Dünenlandschaft herumtollen, während Szenen aus der Kindheit in warmen Farben eher naturalistisch anmuten.

Gerstenberg, 88S., EUR 14.--
Originalsprache: Niederländisch
Nominierung 2021, Kategorie: Bilderbuch
Ab 6 Jahren
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Der Stein und das Meer


Alexandra Helmig (Text),
Stefanie Harjes (Illustration)

Jurybegründung

Alexandra Helmig erzählt von einem kleinen grünen Stein auf einem Felsen im Meer, nicht weit vom Ufer entfernt. Seit Jahrtausenden liegt er dort und beobachtet, was um ihn herum geschieht. Doch mit der Zeit wächst die Neugier, den Platz zu verlassen und selbst ins Meer einzutauchen. Der nächste große Sturm schwemmt ihn mit. Und wer dieses Bilderbuch betrachtet, darf ihn begleiten bis zum erstaunlichen Ende der poetischen Geschichte, in der ein Kind letztlich die entscheidende Wendung herbeiführt. Zwischen den Zeilen werden bedeutsame, nahezu philosophische Fragen aufgeworfen und Gedanken angeregt, die weit über die Handlung dieser kleinen Erzählung hinausweisen.

Die Bilder von Stefanie Harjes inspirieren diese Gedankenreise, indem sie durch ihre surrealen Elemente in den Zeichnungen, Collagen und Scherenschnitten das Realitätsenthobene, Wirklichkeitsentrückte hervorheben und eine eigene Wahrheit miterzählen. Diese Geschichte scheint nicht von dieser Welt zu sein. Aber in den grotesken kleinen Figuren spielt sie mit Bekanntem und Vertrautem. Das macht dieses Bilderbuch so reizvoll und wird die Lust am Fabulieren und Philosophieren wachhalten.

Mixtvision, 32 S., EUR 18.--
Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Bilderbuch
Ab 7 Jahren
 NOMIERUNGEN KINDERBUCH 
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Manno!


Alles genau so in echt passiert
Anke Kuhl (Text, Illustration)

Jurybegründung

In diesem Comicalbum präsentiert Anke Kuhl 18 pointierte Episoden ihrer erinnerten Kindheit in den 1970er Jahren. Aus kindlich-naiver Perspektive wird berichtet von großen und kleinen, witzigen, ernsten und mitunter auch traurigen Ereignissen eines ganz normalen Kinderlebens. Es geht dabei um den Zusammenhalt der Geschwister, aber auch um Streitigkeiten, um Haustiere, Leistenbrüche, Brillen und Strumpfhosen oder die Zuflucht bei Oma und Opa, wenn die Eltern streiten. Auch eklige, skurrile oder irrwitzige Kinderspiele finden ihren Platz wie Klobürstenkämpfe oder das schreckliche Quälspiel mit der Stinkvase.

Bildliches und sprachliches Erzählen sind mit den Möglichkeiten des Comics geschickt inszeniert. Die Panelanordnung wird spannungsreich durch die Übergänge aufgebrochen. Für viel Dynamik sorgen dabei Momentaufnahmen, Perspektiven und Zooms, angereichert mit Speedlines und Soundwords. Die Ich-Erzählerin kommentiert in den teils offenen, teils geschlossenen Textkästen das generationsübergreifende Familienleben. Die Panels zeigen, dass es keine heile Welt sein muss, um Zusammenhalt zu generieren. Die Figuren wirken durch liebevolle Details wie Omas „Warzn af der Nosen“ oder Papas „Pilzfrisur“ besonders authentisch und sympathisch unperfekt. Die Farbkontraste in Buntstiftästhetik passen hingegen perfekt zu den fabelhaft vielseitigen Kindheitserlebnissen.

Klett Kinderbuch, 136 S., EUR 18.--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Kinderbuch
Ab 8 Jahren
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Pembo


Halb und halb macht doppelt glücklich!
Ayşe Bosse (Text),
Ceylan Beyoğlu (Illustration)

Jurybegründung

In diesem temporeichen Kinderroman steht die Fünftklässlerin Pembo im Mittelpunkt. Gegen ihren Willen muss sie mit ihren Eltern Mustafa und Mona von der wunderschönen türkischen Mittelmeerküste ins eher regnerische, graue Hamburg ziehen. Dort hat ihr Vater einen Friseursalon geerbt. Ein großer Traum, der aber zerplatzt, als sich herausstellt, dass es sich um einen Hundesalon handelt. Die neue Situation wird für die Familie zur Zerreißprobe. Mit einem kuriosen Einfall will „Baba“ Mustafa das Konzept des Ladens komplett erneuern und bringt die Familie damit an den Rand des Wahnsinns. Doch mit Hilfe von Pembos magischen Ideen und ihren neu gewonnenen Freunden wird die Existenzgrundlage der Familie doch noch gesichert.

Ayşe Bosse zieht alle Register des Erzählens. Neben skurrilen Figuren, überraschenden Wendungen und phantastischen Elementen wird ironisch mit kulturellen Klischees gespielt. Die humorvoll-bildhafte, oft mündlich geprägte Sprache mit türkischen Worteinsprengseln zieht unmittelbar in ihren Bann. Zu Beginn eines jeden Kapitels und im Glossar finden sich dazu zweisprachige Wörterlisten. Die kunstvollen, teils monochromen Tuschezeichnungen von Ceylan Beyoğlu verleihen dem Gefühlschaos auch bildlich treffend Ausdruck. Sie changieren durch eine aquarellierte Farbkleckstechnik zwischen Traum und Wirklichkeit.

Carlsen, 272 S., EUR 10--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Kinderbuch
Ab 9 Jahren
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Rosalie


Als mein Vater im Krieg war
Timothée de Fombelle (Text),
Isabelle Arsenault (Illustration),
Sabine Grebing (Übersetzung),
Tobias Scheffel (Übersetzung)


Während des ersten Weltkriegs in Frankreich muss Rosalies Mutter in einer Waffenfabrik arbeiten und allein für sie beide sorgen. Der Vater ist an der Front. So sitzt Rosalie tagsüber mit den größeren Kindern in der Schule, obwohl sie erst fünf ist. Die gelegentlichen Briefe des Vaters liest ihr die Mutter vor. Aber Rosalie spürt, dass die Mutter etwas verheimlicht. Das treibt sie an zu ihrer streng geheimen Mission: Lesenlernen. Mit großer Ernsthaftigkeit erobert sie sich selbständig die Teilhabe an der für sie bisher verschlossenen Lebensrealität der Erwachsenen, die mit Schmerz, aber auch mit mehr Aufrichtigkeit verbunden ist.

Tobias Scheffel und Sabine Grebing haben die eindrucksvolle Geschichte überzeugend ins Deutsche übertragen. Bereichert von Isabelle Arsenaults farblich stimmig akzentuierten Aquarell- und Tuschezeichnungen ist ein kleines Juwel entstanden. Der Text der Ich-Erzählung ist in diesem handlich quadratischen Format großzügig vor viel Weißraum platziert, ergänzt durch zarte Bildmomente. Dazwischen finden sich ganzseitig illustrierte Doppelseiten, welche die Empfindungen der Protagonisten fein austarieren. Im Gegensatz zu dem menschenverachtenden Krieg wird hier von einem Miteinander voller Güte erzählt. Das Buch gibt somit einfühlsam und zeitlos eine Ahnung davon, was das (nicht nur) im Krieg bedeuten kann.

Gerstenberg, 64 S., EUR 15.--

Originalsprache: Französisch
Nominierung 2021, Kategorie: Kinderbuch
Ab 9 Jahren
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Irgendwo ist immer Süden


Marianne Kaurin (Text),
Franziska Hüther (Übersetzung)

Jurybegründung

Die Sechstklässlerin Ina lebt mit ihrer Mutter in einer Sozialsiedlung. Als ihre wohlhabenden Mitschüler am letzten Schultag von ihren weitfliegenden Reiseplänen berichten, behauptet Ina, dass sie auch in den Süden fährt, obwohl sich ihre alleinerziehende Mutter gar keinen Urlaub leisten kann. Damit die Lüge nicht auffliegt, muss sie notgedrungen bei größter Hitze in der eigenen Wohnung untertauchen. Und um die Glaubwürdigkeit endgültig sicherzustellen, postet sie von zu Hause aus Fotos ihres inszenierten Urlaubsdomizils. Von Ferienstimmung ist Ina dabei weit entfernt. Vilmer befreit sie schließlich aus dem Schlamassel. Er ist neu zugezogen, und ihm scheint der Gruppendruck in seiner Klasse gar nichts auszumachen. Er zeigt Ina im Wohnkomplex einen geheimen und verlassenen Ort. Dieser ermöglicht den beiden nicht nur die Erschaffung ihres ganz eigenen Südens, sondern auch, ihre Freundschaft unter Beweis zu stellen.

Der Roman besticht durch eine aktuelle Thematik und führt eindrucksvoll vor Augen, was in der Freundschaft – auch in Zeiten von Social Media – wirklich zählt. Die leichte Sprache und die treffenden, mit viel Wortwitz angereicherten Dialoge kommen in der Übersetzung von Franziska Hüther sehr gut zur Geltung.

Woow Books, 228 S., EUR 15.--

Originalsprache: Norwegisch
Nominierung 2021, Kategorie: Kinderbuch
Ab 10 Jahren
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Haifischzähne


Anna Woltz (Text),
Andrea Kluitmann (Übersetzung)

Jurybegründung

Zwei Kinder in den Niederlanden begegnen sich auf dem Fahrrad, der Eine ein Ausreißer, die Andere im Rennen gegen das Schicksal. Atlanta will einmal rund um das IJsselmeer fahren – dann werde alles gut, so ihre Überzeugung. Einerseits fällt es ihr schwer, mit der Krebserkrankung ihrer Mutter umzugehen, andererseits fühlt sie sich von ihren Eltern in Watte gepackt und von der Welt unverstanden. Finley dagegen, enttäuscht und verletzt, wünscht seine Mutter zum Teufel und will einfach nur weg. Geradezu widerwillig formieren sie eine Reisegemeinschaft, die sich schnell als Glücksfall erweist und beiden hilft, sich ihren Dämonen zu stellen.

Anna Woltz, bekannt für ihre starken Kinderfiguren, lässt wieder zwei Helden des Alltags aufeinandertreffen, die nur auf den ersten Blick ruppig erscheinen. Spannend, dicht und anschaulich wird in der Übersetzung von Andrea Kluitmann diese ungewöhnliche Fahrradtour erlebbar. Vignetten verweisen auf die Schlüsselmomente des jeweiligen Tour-Abschnitts. Die Kilometerangaben am Kapitelbeginn lassen die Leserinnen und Leser mitfiebern, auch wenn am Ende gar nicht mehr so wichtig ist, ob das Ziel erreicht wird.

Carlsen, 96 S., EUR 10.--

Originalsprache: Niederländisch
Nominierung 2021, Kategorie: Kinderbuch
Ab 10 Jahren
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Adresse unbekannt


Susin Nielsen (Text),
Anja Herre (Übersetzung)

Jurybegründung

Felix lebt allein mit seiner Mutter Astrid und das wird zunehmend schwieriger, nicht nur wegen ihrer depressiven Schübe. Weil Astrid die Miete nicht mehr aufbringen konnte, haben sie ihre Wohnung verloren und hausen in einem alten Campingbus. Längst ist das kein ultimativer Sommerurlaub mehr, denn immer sitzt ihnen die Angst im Nacken, dass alles auffliegt. Die Abwärtsspirale in die Obdachlosigkeit wird aus Felix‘ Sicht in der Rückschau so erschütternd wie glaubwürdig geschildert. Der ständige Hunger, die Suche nach Duschmöglichkeiten und die Verstrickung in Lügen zeigen, welche Herausforderungen dieses Leben täglich mit sich bringt. Trost für Felix sind seine Rennmaus, eine Quizshow und seine Freunde, die selbst dann zu ihm halten, als das mühsam errichtete Lügengebäude tatsächlich einstürzt.

In der Übersetzung von Anja Herre führt der Ich-Erzähler eindringlich seine Überlebensstrategien zwischen Verzweiflung und Hoffnung vor Augen. Mit Witz und Situationskomik werden die Ereignisse sensibel ausbalanciert. Die aufgebaute Spannung geht nicht auf Kosten des brisanten Themas. Besonders gelungen ist, wie Felix und seine Mutter als Personen aus der Mitte der Gesellschaft sichtbar werden, deren Ängste, Sorgen und Wünsche für jeden nachvollziehbar sind.

Urachhaus, 284 S., EUR 18.--
Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Kinderbuch
Ab 11 Jahren
 NOMINIERUNGEN JUGENDBUCH 
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Sibiro Haiku


Jurga Vilė (Text),
Lina Itagaki (Illustration),
Saskia Drude (Übersetzung)

Eine Graphic Novel aus Litauen

Jurybegründung

Sowjetische Truppen verschleppen 1941 ganze Familien aus Litauen nach Sibirien. Unter den Deportierten ist der achtjährige Algis. Jeder Tag wird im bitterkalten Winter zum Überlebenskampf. Aus Algisʼ kindlicher Perspektive wird das Leiden im Lager erzählt, gerade dieser Blickwinkel macht es überhaupt erst erträglich. Besonders ist der Zusammenhalt der Inhaftierten: Mit Humor und Solidarität entwickeln sie Gemeinsinn, trotzen so den unmenschlichen Bedingungen. Und sie haben noch ein geheimes Über-Lebensmittel: Kultur. Algisʼ Tante hat einen Haiku-Band mit ins Lager gebracht; die sparsamen Texte helfen gegen Verzweiflung. Und die Gefangenen gründen einen Chor; das gemeinsame Singen gibt ihnen Hoffnung. Das Schicksal endet zweigeteilt, denn nur die Kinder dürfen nach Litauen zurückkehren.

Jurga Vilė und Lina Itagaki entreißen ein bewegendes Kapitel europäischer Geschichte dem Vergessen. Ihre Graphic Novel zieht alle Register: Seite für Seite finden sich überraschende Bild-Text-Kombinationen voller Atmosphäre. Details, Farbgestaltung und Handlettering fügen sich zu einem bemerkenswerten Gesamtkunstwerk, das seine Wirkung in der Übersetzung von Saskia Drude auch im Deutschen entfaltet. Eine Geschichte, die ergreift und ermutigt.

Baobab Books, 240 S., EUR 25.--
Originalsprache: Litauisch
Nominierung 2021, Kategorie: Jugendbuch
Ab 13 Jahren
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Sankt Irgendwas


Tamara Bach (Text)

Jurybegründung

Wilde Diskussionen und Vermutungen wabern über den Schulhof. Es steht außer Frage, dass die Klassenfahrt der 10b eskaliert ist. Aber warum und wieso, darüber hüllen sich alle in Schweigen. Fest steht nur, sie waren in Sankt Irgendwas. Lehrer Utz verlangt seiner Klasse einiges ab, stundenlange Busfahrten, absolutes Handyverbot, Museumsführungen und eigens von den Jugendlichen vorbereitete Vorträge über kunsthistorische Stätten. Zusätzlich sollen die Schülerinnen und Schüler ein Protokoll über ihre Reise führen. Nachdem feststeht, dass Utz die Zeilen nie lesen wird, lösen längere Berichte die anfänglichen Protokolle ab. Noch dazu schlägt sich nicht nur „die Kaiserin“ als begleitende Lehrkraft auf die Seite der Klasse, sondern unverhofft auch ein weiterer Verbündeter.

Tamara Bach lässt die 10b zu einer Einheit werden, Solidarität und Zusammenhalt prägen die letzten gemeinsamen Tage im Klassenverband. Bachs teilweise lakonischer, aber immer authentischer Ton entfaltet eine poetische Kraft, die fesselt und berührt. Atmosphärisch und sensibel wird die angespannte Stimmung zwischen Utz und seiner Klasse geschildert, und doch bleibt Raum für Witz und Situationskomik. Ein schleunigst einberufener Elternabend lässt von Neuem Spekulationen aufflammen.

Carlsen, 128 S., gebunden EUR 13.--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Jugendbuch
Ab 14 Jahren
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Verraten


Grit Poppe (Text)

Jurybegründung

Sebastians Mutter ist verstorben, seine Oma muss ins Altenheim und vom Vater fehlt jede Spur. Die Jugendhilfe der DDR bringt ihn in ein Durchgangsheim, wo gefängnisähnliche Zustände herrschen. Dort lernt Sebastian die 17-jährige Katja kennen, die es immer wieder schafft, aus Arrestanstalten zu entfliehen.
Als Sebastian unverhofft von seinem verschwunden geglaubten Vater abgeholt wird, nutzt Katja die Chance auf erneute Freiheit. Angekommen in Berlin, versteckt Sebastian sie auf dem Dachboden über der Wohnung seines wortkargen Vaters. Seine Angst, aufzufliegen, ist nur ein Grund, weshalb Sebastian dem Treffen mit einem Herrn Möller zustimmt. Möller ist Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und beauftragt ihn mit der Bespitzelung des eigenen Vaters und seiner Mitschüler.

Grit Poppe ist es gelungen, ein bisher wenig beachtetes Thema der DDR-Geschichte für jugendliche Leserinnen und Leser detailliert, spannend und anschaulich aufzubereiten. Der Roman schildert sowohl aus Katjas als auch aus Sebastians Sicht die perfide Rekrutierung Jugendlicher für die Stasi. Ein ergänzendes Zeitzeugeninterview samt real existierender Aktenvermerke vervollständigen den beeindruckend recherchierten Jugendroman.

Dressler, 366 S., kt. EUR 12.--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Jugendbuch
Ab 14 Jahren
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Papierklavier


Elisabeth Steinkellner (Text),
Anna Gusella (Illustration)

Jurybegründung

Maia hat es nicht leicht. Sie lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter und zwei jüngeren Schwestern in einer viel zu kleinen Wohnung, das Geld ist knapp und der Kühlschrank chronisch leer. Die Schwestern haben unterschiedliche Väter, keiner von ihnen kümmert sich. Zuneigung und Unterstützung bekommt die Familie von anderer Seite: Die Nachbarin Oma Sieglinde hilft mal mit Essen aus, mal mit Geld, meistens aber mit Zeit und ihrem Klavier, auf dem Maias Schwester Heidi Klavierspielen lernt.

Scheinbar leichtfüßig schafft es Elisabeth Steinkellner, Maia eine authentische Stimme zu geben. Eine Stimme, mit der sie sich gegen gängige Schönheits- und Verhaltensnormen auflehnt, selbstbewusst und stark für ihr eigenes, manchmal noch so kleines Glück kämpft. Uneingeschränkte Unterstützung erhält die 16-Jährige von ihren Freundinnen Clara, die eigentlich Engelbert heißt, und Alex.

Die Texte der österreichischen Autorin und die Bilder der Berliner Illustratorin Anna Gusella scheinen wie aus einer Hand. Gusella spielt geradezu elegant mit den Farben Schwarz und Mintgrün, mit Typografie und Layout. Die Gestaltung des Tage- bzw. Skizzenbuches wird zu einer literarästhetischen Gesamtkomposition, die tief in Maias Seelenleben schauen lässt.

Beltz & Gelberg, 140 S., gebunden, EUR 14,95

Nominierung 2021, Kategorie: Jugendbuch
Ab 14 Jahren
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Reden ist Verrat


Nach der wahren Geschichte der Freddie Oversteegen
Wilma Geldof (Text),
Verena Kiefer (Übersetzung)

Jurybegründung

Als Freddie 15 Jahre alt ist, endet ihre Jugend: Mit ihrer Schwester schließt sie sich im August 1941 in ihrer niederländischen Heimat einer kommunistischen Widerstandsgruppe gegen die deutschen Besatzer an. Sie muss lernen, niemandem mehr zu trauen, immer ein paar Schritte voraus zu denken. Anfangs geht es noch darum, Flugblätter zu verteilen oder Kurierdienste zu übernehmen. Doch die Aufgaben werden fordernder; Freddie versteckt Menschen, beteiligt sich an Sabotageakten und an der Tötung eines Besatzers. Sie handelt aus voller Überzeugung, aber auch mit zunehmenden Zweifeln und Skrupeln. Ist dieser Widerstand der richtige Weg? Ist Gewalt zu rechtfertigen?

Wilma Geldof erzählt einen packenden Roman auf Basis der Erinnerungen von Freddie Oversteegen (1925-2018). In der versierten Übersetzung von Verena Kiefer wird Freddies Denken und Fühlen in allen Nuancen greifbar. Geldof stilisiert keine Ikone eines lange vergessenen Widerstandskapitels, sie zeichnet ein vielschichtiges Bild eines zerbrechlichen, fragenden, aber auch eines unendlich mutigen Mädchens. Die besondere Stärke des Romans liegt darin, dass er Freddie nicht nur als Widerstandskämpferin zeigt, sondern eindrücklich auch ihre Ängste, die Unmöglichkeit einer ungetrübten ersten Liebe und die ständige Furcht, verraten zu werden, nicht ausspart.
Gerstenberg, 304 S., gebunden, EUR 18.--

Originalsprache: Niederländisch
Nominierung 2021, Kategorie: Jugendbuch
Ab 15 Jahren
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Future History 2050

 

Thomas Harding (Text),
Florian Toperngpong (Illustration),
Edmund Jacoby (Übersetzung)

Jurybegründung

2050 – die Welt nach dem großen Klimakollaps ist eine andere. Superreiche haben einen totalitären Überwachungs- und Polizeistaat errichtet. Doch die Menschen sind angesichts des ökologischen und sozialen Zusammenbruchs dankbar für Ordnung, Sicherheit und umfassende staatliche Vorsorge. So sieht es auch Billy, die als Heranwachsende beginnt, sich für die Geschichte ihrer Familie zu interessieren. Sie interviewt ihre Großmutter, die von Versäumnissen ihrer Generation berichtet. Allmählich stellt Billy ihre Welt in Frage. Sie gerät ins Visier der Sicherheitsbehörden und erkennt, dass die Zukunft nur gerettet werden kann, wenn die Vergangenheit anders verläuft.

Future History 2050 stellt die Interviews, Billys Anmerkungen und zahlreiche von Florian Topernpong gestaltete fiktive Dokumente wie Fotos, Plakate oder Ansichtskarten aus den Jahren 2020 bis 2050 zusammen. Im Stil einer Dokumentation zeigt Hardings dystopischer Text in der Übersetzung von Edmund Jacoby, wie weitreichend verantwortungsloses Handeln in Klimafragen sich auswirken kann. Für Billy sind die Aufzeichnungen Geschichtsschreibung, für heutige Lesende sind sie ein Ausblick in eine mögliche Zukunft. Vor allem aber sind sie ein intelligent arrangierter und ästhetisch beeindruckend gestalteter Hybridtext, der das Beharren auf die eigene Komfortzone in Frage stellt.

Verlagshaus Jacoby & Stuart, 192 S., mit Grafigen, gebunden EUR 18.--

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Jugendbuch
Ab 15 Jahren

NOMINIERUNGEN SACHBUCH 
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Es geht rund


Die Verwandlungskraft der Kreisläufe
Felicitas Horstschäfer (Text, Illustration),
Johannes Vogt (Text, Illustration),

Jurybegründung

In Natur und Technik sind Kreisläufe ein Grundprinzip. Die mitunter komplexen Zusammenhänge und wiederkehrenden Strukturen wahrzunehmen und ihre Wandelbarkeit zu verstehen, ist nicht immer einfach. Umso verblüffender, mit welcher Leichtigkeit Johannes Vogt und Felicitas Horstschäfer diese Abläufe in ihrem Sachbuch bereits jungen Leserinnen und Lesern näherbringen. Der Clou ist dabei zweifelslos die gestalterische Idee, die ebenso genial wie einfach erscheint: Hier werden Kreisläufe in einem Buch präsentiert, das aufgeklappt selbst kreisrund ist. Auf stabiler Pappe, die im Zusammenspiel mit dem Sonderformat zum Drehen und somit auch zum sinnlichen Erfassen einlädt, werden insgesamt neun verschiedene Kreisläufe vorgestellt – von Tages- und Jahreszeiten, Nahrungs- und Nährstoffkreisläufen über Fortpflanzung (am Beispiel Frosch) bis hin zu Mehrwegflaschen und Recyclingpapier.

Wozu hat der Apfel Kerne? Wer frisst wen? Wohin kommen all die Schnipsel? – Prägnante Fragen leiten die knappen, nah an der kindlichen Lebenswelt formulierten Erklärtexte zu den einzelnen Abschnitten ein. Deren visuelle Gestaltung wird durch den pointierten Einsatz von Schmuckfarben in den sonst blau-grau gehaltenen Bildern abgerundet.

Beltz & Gelberg,20 S., Pappe EUR 19,95

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Sachbuch
Ab 5 Jahren

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Das wahre Leben der Bauernhoftiere


Lena Zeise (Text, Illustration),

Jurybegründung

Mit fotorealistisch anmutenden Bildern lädt die Illustratorin Lena Zeise ein, sich mit Nutztierhaltung und Lebensmittelgewinnung zu beschäftigen sowie das eigene Ess- und Konsumverhalten zu hinterfragen. Dafür gibt sie exemplarische Einblicke in konventionelle und ökologische Landwirtschaftsbetriebe und zeigt Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen, Hühner abseits des Bauernhofidylls, das gerade in der Kinderliteratur gerne aufgetischt wird. Die knappen Informationstexte, die Zeise ihren Bildern zur Seite stellt, erzählen betont sachlich, die kindlichen Leserinnen und Leser stets im Blick, vom Leben der Nutztiere, das auf die Erzeugung von Lebensmitteln ausgerichtet ist. Neben den Haltungsbedingungen werden daher konsequenterweise auch Tiertransporte und die Abläufe bei der Schlachtung thematisiert.

Behutsam und um ein differenziertes Bild bemüht, nähert sich das schmale Sachbilderbuch so einem Themenfeld, das seit vielen Jahren in Gesellschaft und Politik kontrovers und emotional diskutiert wird, in der Kinder- und Jugendliteratur bislang jedoch kaum zur Sprache gebracht wurde. Umso bemerkenswerter ist die Offenheit, mit der hier an die Themen herangeführt, zur vertieften Beschäftigung mit Tierschutz und Nachhaltigkeit und zur Reflexion des eigenen Handelns und Speiseplans angeregt wird.

Klett Kinderbuch, 40 S., EUR 16.--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Sachbuch
Ab 7 Jahren

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Auf nach Yellowstone!


Was Nationalparks über die Natur verraten
Aleksandra Mizielińska (Text, Illustration),
Daniel Mizieliński (Text, Illustartion),
Thomas Weiler (Übersetzung)

Jurybegründung

In seinem großformatigen Sachcomic lässt das Künstlerpaar Aleksandra und Daniel Mizielińcy die Leserinnen und Leser eintauchen in die faszinierende und facettenreiche Welt der Nationalparks. Beinahe beiläufig macht er in der treffenden Übersetzung von Thomas Weiler aufmerksam auf Zielsetzung, Bestimmung und Bedeutung der Schutzgebiete. Der polnische Białowieża-Park ist der Ausgangspunkt der spannenden und aufschlussreichen Expedition in Pop-Art-Anmutung, die mit ihrem Themenreichtum ebenso wie mit der verständlichen Darstellung selbst komplexer Sachverhalte brilliert. In ihm leben die beiden Protagonisten, das Wisent Kuba und das Eichhörnchen Ula. Von dort startet das ungleiche Tierpaar seine Reise zu sieben Nationalparks: Erste Station ist der Yellowstone-Nationalpark, der 1872 in den USA gegründet wurde; weiter geht es nach Peru, China, Namibia, Grönland, Indonesien und Neuseeland. Eingebettet in das Abenteuer von Ula und Kuba und im Wechselspiel von Comicepisoden, Schaubildern und Detailansichten werden nützliche Grundlagen ebenso vermittelt wie Wissen zu Tieren, Pflanzen und landschaftlichen Besonderheiten der Nationalparks.

Moritz, 128 S., EUR 29.--

Originalsprache: Polnisch
Nominierung 2021, Kategorie: Sachbuch
Ab 8 Jahren
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100 Kinder


Christoph Drösser (Text),
Nora Coenenberg (Illustration)

Jurybegründung

In dieser Zeit, in der uns die Sorge um die Zukunft umtreibt, tut es gut, den Fokus auf die zwei Milliarden Menschen zu lenken, die unsere Zukunft sind: die Kinder. Was wissen wir von ihnen? Wie verteilen sie sich rund um den Erdball? Und welche Lebensumstände prägen ihren Alltag?

Christoph Drösser und Nora Coenenberg stellen in 100 Kinder genau diese Fragen und beantworten sie auf ebenso raffinierte wie eindrucksvolle Weise – durch ein Gedankenexperiment, das trockene Statistik anschaulich macht. Dabei werden abstrakte Zahlen über Kinderleben weltweit auf 100 Kinder heruntergebrochen. Von denen leben z.B. nur sechs in Europa, vier in Nordamerika, acht in Südamerika, ein einziges in Australien, aber 25 in Afrika und 56 in Asien! So gestartet, durchkämmt das Buch gesellschaftliche, politische und kulturelle Fragestellungen, zeigt Nord-Süd-Differenzen auf, Gender-Problematiken, dramatisches Arm-Reich-Gefälle, aber auch vergnügliche Phänomene. Für die erklärende Zusammenschau stehen Drössers direkt an Kinder adressierte, leicht lesbare und doch bewegende Texte. Ebenbürtig dazu bieten Coenenbergs Zeichnungen und Infografiken, vor allem aber die Diversität einkalkulierenden Abbildungen, eine sofort verständliche visuelle Ebene.

Gabriel, 104 S., EUR 14.--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Sachbuch
Ab 9 Jahren
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Zählen, Rechnen, Messen


Wie Zahlen uns helfen, die Welt zu verstehen
Isabel Thomas (Text),
Maria-Elisabeth Niebius (Text),
Raphael Honigstein (Text),
Robert Klanten (Text),
Daniela Olejníková (Illustration),
Harald Stadler (Übersetzung)

Jurybegründung

Mathematik zeigt sich hier von ihrer universellen und – wie es der Untertitel andeutet – von ihrer praktischen Seite. Es geht darum, was man mit Zahlen machen kann, wozu sie dienen. Im flächigen Bilderbuchformat angelegt, adressiert das Buch junge wie fortgeschrittene Mathematikerinnen und Mathematiker, die mit „du“ angesprochen und so direkt in die Materie geholt werden.
Vor dem Hintergrund der Angewandten Mathematik steht die Brauchbarkeit des Dargestellten im Alltag im Vordergrund. So ist man chronologisch lesend bei der Entdeckung und Benennung der einfachen Maßsysteme dabei, lernt Zeitzonen kennen, den Kalender, Tag und Nacht. Dann geht es anspruchsvoll weiter zum Goldenen Schnitt, dem Binärsystem, zu Codes, Mustern oder der Fibonacci-Folge. All das wird auf randlos durchillustrierten Buchseiten nicht nur textlich ausgeführt, sondern vor allem in einem wie Rasterdruck wirkenden grafischen Verfahren präsentiert. Die Farbwirkung ist zart und stark zugleich, die Bildsprache modern. Ein attraktives Gesamtambiente verführt zum immer wieder neu Betrachten.

Kleine Gestalten, 64 S., EUR 19,90

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Sachbuch
Ab 9 Jahren
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Eine neue Welt


Die Natur, die Menschen und die Zukunft unseres Planeten
Martina Vogl (Text),
Sascha Mamczak (Text),
Katrin Stangl (Illustration)

Jurybegründung

Kein Zweifel: Die Situation unserer Welt, der Erde, auf der wir leben, ist verbesserungswürdig. Doch was genau können wir tun? Exakt an diesem Punkt starten Sascha Mamczak und Martina Vogel mit ihrem überzeugenden Lesebuch Eine neue Welt. Ausgehend von einer dichten Situationsanalyse reflektiert und philosophiert das Autorenduo in die Zukunft. In zehn nahezu perfekt aufeinander aufbauenden Kapiteln wird über die Entwicklungsgeschichte der Menschheit nachgedacht, über Natur und Kultur, „Das Rätsel des Lebens“, über Fortschritt und Wachstum und auch über die ökologische Krise.

Was das klug durchdachte Buch so wertvoll macht, ist seine klare Antwort: Die einzig zuverlässige Quelle der Änderung liegt in uns, in jedem Einzelnen. Flüssig, stringent und vorurteilsfrei erfolgt das Herleiten und Ausformulieren dieser Botschaft mit durchaus politischem Ansatz: Selbst Denken und Handeln sind gefragt!

Stimmige Farb-Illustrationen und Vignetten von Katrin Stangl, ein harmonisches Layout, feine Schriftgestaltung mit eingebauten Zitaten und gezieltem Einsatz von Farbe machen das Buch auch ästhetisch zum Genuss. Zum Weiterdenken finden sich im reichhaltigen Anhang je zehn Bücher, Filme, Websites und Organisationen, die sich für eine neue Welt einsetzen.

Peter Hammer, 270 S., EUR 22.--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Sachbuch
Ab 14 Jahren
PREIS DER JUGENDJURY 
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Kampala – Hamburg


Roman einer Flucht
Lutz van Dijk (Text)

Jurybegründung

Mit Kampala – Hamburg baut der in Berlin geborene und in Kapstadt/Südafrika lebende Autor Lutz van Dijk Brücken. Mit Geschick kombiniert er Fiktion und Wirklichkeit, verknüpft Kontinente und bringt Menschen zueinander. David aus Deutschland und David aus Uganda lernen sich über eine Datingplattform kennen. In Hamburgs Nieselregen und der lärmenden Vielfalt der afrikanischen Großstädte Kampala, Kigali und Lagos zeigt van Dijk die Gegensätzlichkeit ihrer familiären und gesellschaftlichen Lebenssituationen als Homosexuelle auf. Beide Erzählstränge verwebt er zu einem gefühlsbetonten wie informativen Dialog. Auf ihrer Suche nach Freunden und zu sich selbst finden die beiden Jungen auch starke Gemeinsamkeiten: ihre Sorgen, ob die Flucht gelingen wird, und den Traum davon, sich einfach ungestraft verlieben zu dürfen.

Wer sich für die aktuellen politischen Ereignisse in Uganda und in anderen Teilen der Welt interessiert, wo sexuelle Minderheiten verfolgt werden, kann Fakten und Hintergründe in Fußnoten und im Anhang nachlesen. Ein gelungenes Buch zum Mitfiebern, das von verschiedenen Seiten für die LGBTIQ+ Szene sensibilisiert und für jeden Geschmack etwas zu bieten hat.

Querverlag, 176 S., EUR 12.--

Originalsprache: Deutsch
Nominierung 2021, Kategorie: Preis der Jugendjury
Ab 13 Jahren
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Das kostbarste aller Güter


Ein Märchen
Jean-Claude Grumberg (Text),
Ulrike Möltgen (Illustration),
Edmund Jacoby (Übersetzung)

Jurybegründung

1943: Ein Vater wirft seine neugeborene Tochter durch die Luke eines Güterzuges hinaus in den Wald und rettet sie so vor dem sicheren Tod im Vernichtungslager. Wie durch ein Wunder findet eine arme Holzfällerfrau das „kleine Gut“ (S. 29) an den Gleisen. Gegen alle Widrigkeiten zieht sie es als ihr eigenes Kind auf.

In dieser beeindruckenden Geschichte zeigt sich die Gattung Märchen z.B. durch die Einteilung der Handlung in Gut und Böse, Liebe und Hass, Mitgefühl und Gleichgültigkeit. Mit wortgewaltiger poetischer Sprache beschreibt der Autor die damalige Lebenswelt: Not und Armut, schwere körperliche Arbeit und Angst vor Krieg und Verbrechen. Wir erleben hautnah Beweggründe, Empfindungen und Entwicklungen seiner Charaktere mit. Ebenso eindringlich, glaubhaft und berührend werden wir von der Kraft der Liebe überzeugt. Gleichzeitig sehen wir Menschen gewalttätige Verbrechen begehen. Dadurch erkennen wir, dass das Böse nichts Abstraktes ist und sind aufgefordert aufzupassen, damit so etwas wie die Shoah nie wieder geschehen kann. Die düster wirkenden Zeichnungen greifen die Stimmung des Geschehens auf.

Verlagshaus Jacoby & Stuart, 135 S., EUR 16.--

Originalsprache: Französisch
Nominierung 2021, Kategorie: Preis der Jugendjury
Ab 13 Jahren
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Vor uns das Meer


Drei Jugendliche. Drei Jahrzehnte. Eine Hoffnung
Alan Gratz (Text),
Meritxell Janina Piel (Übersetzung)

Jurybegründung

Was machst du, wenn deine einzige Möglichkeit die Flucht ist? Wenn du gezwungen bist, dein Zuhause von einem auf den anderen Tag aufzugeben? Schmerzliche Antworten auf diese Fragen müssen drei Jugendliche finden, als sie sich auf den langen Weg über das Meer in eine bessere Zukunft machen. Josef flieht 1933 vor den Nazis, Isabel 60 Jahre später vor Fidel Castro aus Kuba und Mahmoud muss 2015 seine Heimat Syrien verlassen.

Alan Gratz gelingt es, das Phänomen der Flucht an sich zu erklären und ihre physischen, vor allem aber auch die psychischen Belastungen darzustellen. Am Beispiel dieser Einzelschicksale verdeutlicht der Autor in realistischer Weise das Leiden tausender Geflüchteter, sowohl im historischen als auch im aktuellen Kontext. Trotz der unterschiedlichen Ausgangssituationen haben alle das gleiche Ziel: ein neues und sicheres Leben ohne Verfolgung, ohne Hunger, ohne Leid.
Das Buch verknüpft auf eindrucksvolle Art drei Fluchtgeschichten miteinander und vergegenwärtigt in ergreifender Erzählweise die damit einhergehenden Schrecken und Ängste. Als Denkanstoß animiert Vor uns das Meer zum Handeln und verdeutlicht gleichzeitig, was uns alle verbindet: die Hoffnung auf Sicherheit, Geborgenheit und Frieden.

Carl Hanser Verlag, 304 S., gebunden, EUR 17.--

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Preis der Jugendjury
Ab 14 Jahren
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After the Fire


Will Hill (Text),
Wolfram Ströle (Übersetzung)

Jurybegründung

Eine Sekte. Ein Feuer. Das Leben danach. – Moonbeam wächst, von der Außenwelt abgeschottet, in der Basis der Legion Gottes auf. Nach deren gewaltsamer Erstürmung durch die Bundesbehörden und einem verheerenden Brand, werden Moonbeam und die anderen überlebenden Kinder und Jugendlichen in der Psychiatrie untergebracht, von Therapeuten betreut und vom FBI befragt. Moonbeam öffnet sich langsam und erzählt von ihrem Leben in der Sekte, an dem sie schon länger zweifelte. Sie erzählt von Menschen und Unmenschen. Der Weg in die Welt „draußen“ ist schwer. Geheimnisse, die sie unter keinen Umständen preisgeben möchte, quälen sie. Immer wieder werden Moonbeams Gedanken in die Erzählung verwoben und Andeutungen gemacht, die langsam ein Gesamtbild entstehen lassen. Dabei fragt sich Moonbeam immer, ob sie den Menschen von „draußen“ vertrauen will.

Will Hill rückt ein wenig beachtetes, unkonventionelles Thema in den Mittelpunkt. Mitreißend wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wie Moonbeam die traumatisierenden Ereignisse zunächst erlebte und wie sie diese später verarbeitet. Die realistische Darstellung wirkt dabei niemals verharmlosend. Moonbeam ist eine sehr gut durchdachte Figur, man kann ihr Handeln ihre Gedanken, Ängste und Zweifel gut nachvollziehen und es lässt sich eine klare Persönlichkeitsentwicklung erkennen.

dtv Reihe Hanser, 480 S., Paperback, EUR 15.95

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Preis der Jugendjury
Ab 14 Jahren
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You are (not) safe here


Kyrie McCauley (Text),
Uwe-Michael Gutzschhahn (Übersetzung)

Jurybegründung

„Wie groß ist dein Mut?“ (S. 13) – Die 17-jährige Leighton stellt sich diese Frage immer wieder. Und sie braucht viel Mut. Ihre Kleinstadt Auburn/Texas hat plötzlich ein Krähenproblem. Die Ereignisse beginnen mit Joe, einer einzelnen Krähe, die nach dem Tod von Leightons Großvater auftaucht. Es werden zehntausende Vögel. Ihre Zahl steigt parallel zur Angst und zur Bedrohung, der Leighton und ihre Schwestern durch den gewalttätigen Vater ausgesetzt sind. Macht, Wut und Abhängigkeiten spinnen ein Netz aus Furcht und Hilflosigkeit, in dem nicht nur die Schwestern, sondern auch die Mutter gefangen ist. Während die Krähen die Bewohner der Stadt in Atem halten, will zunächst niemand die Katastrophe sehen, die sich in Leightons Familie anbahnt.

Leightons Geschichte ist traurig, aber häusliche Gewalt als Thema ist allgegenwärtig und aktuell. Der Roman wird einfühlsam in der Ich-Perspektive erzählt und ermöglicht so eine nachhaltige Verbundenheit mit der Protagonistin. Die ruhige, bedrückende Darstellung ist intensiv und fesselnd. Die Angst begleitet die Lesenden durch das Buch so wie Leighton durch ihr Leben. Die Sprache ist klar und vielschichtig und oft nahezu poetisch. Vieles, was zuerst kaum bedeutsam erscheint, eröffnet am Ende einen ganz neuen Blick auf die Ereignisse und ermöglicht neue Hoffnung. Ein besonderes und beeindruckendes Buch.

dtv, 400 S., Paperback, EUR 14,95

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Preis der Jugendjury
Ab 14 Jahren
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They called us enemy


Eine Kindheit im Internierungslager
George Takei (Text),
Justin Eisinger (Text),
Steven Scott (Text),
Harmony Becker (Illustration),
Christian Langhagen (Übersetzung)

Jurybegründung

Eine großartig erzählte und einfühlsam gezeichnete Erzählung über ein dunkles und wenig bekanntes Kapitel der amerikanischen Geschichte. Der Schauspieler George Takei, bekannt durch die Serie Raumschiff Enterprise, berichtet rückblickend über seine Kindheit in den 1940er Jahren in den USA: Nach dem Angriff auf Pearl Harbor werden über Nacht amerikanische Bürger mit japanischer Abstammung zu Feinden des amerikanischen Volkes erklärt und stehen unter Terrorismusverdacht. Sie werden in Internierungslager verschleppt – vier Jahre lang unter unwürdigen Bedingungen, 120.000 Menschen! Takei erzählt mit kindlicher Emphase vom Alltag im Lager, von Konflikten, riskanten Spielen und Abenteuern. Als Kind war er sich der Gefahr der Situation nicht bewusst. Gerade dieser unschuldig naive Blick lässt erkennen: Es handelte sich um rassistisch motivierte Internierung, Unterdrückung und Freiheitsberaubung.

Die behutsamen schwarz-weiß Zeichnungen von Harmony Becker sorgen für emotionalen Abstand, gewähren aber durch die sehr genauen und plastischen Gesichtsausdrücke gleichzeitig einen tiefen Einblick in das Gefühlsleben der Figuren. Das verstärkt die Spannung zwischen der Erzählhaltung und dem Dargestellten. Ein Lehrstück gegen Rassismus.

Cross Cult, 208 S., EUR 25.--

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Preis der Jugendjury
Ab 14 Jahren

SONDERPREIS "NEUE TALENTE ÜBERSETZUNG"

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Meer!


Das Wissens- und Mitmachbuch
Piotr Karski (Text, Illustration),
Marlena Breuer (Übersetzung)

Jurybegründung

Der Moritz Verlag hat für Piotr Karskis wuchtiges, ideensprudelndes, 224 Seiten starkes Wissens-Mitmach-Strandurlaubs-Buch einen nicht minder wuchtigen Titel gewählt: Meer! Das polnische Original heißt W morze!, also eigentlich „Ins“ oder „Im Meer“. Aber die Streichung der Präposition ist zu begrüßen, denn so entspricht der Titel der absehbaren Reaktion aller jungen und alten Leserinnen und Leser auf die Lektüre: „Mehr!“

Mehr wird künftig hoffentlich auch von Karskis Übersetzerin Marlena Breuer zu hören sein, die mit äußerstem Geschick an allen Untiefen und Klippen der Sach-Bilderbuch-Übersetzung vorbeinavigiert. Wo es sich anbietet, ergänzt sie unaufdringlich und altersgerecht Fachbegriffe und -informationen. Wo das Original die polnische Leserschaft anspricht, nimmt sie wie selbstverständlich die deutsche Perspektive ein. Und wo umständliche Substantivierungen im Polnischen den Lesefluss stören, beweist Breuer ganz nebenbei mit einem lässig gesetzten Verb oder Adjektiv, dass das Deutsche gar keine komplizierte Sprache sein muss.

Marlena Breuer hat die Kunst der Sachbuch-Übersetzung für junge Leserinnen und Leser mit ihrem Debüt Meer! zur Perfektion geführt. Von diesem neuen Talent darf man sich mit Fug und Recht noch mehr versprechen – viel mehr!

Moritz, 224 S., EUR 20.--

Originalsprache: Polnisch
Nominierung 2021, Kategorie: Sonderpreis Neue Talente Übersetzung
Ab 7 Jahren
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Tippo und Fleck


Über Fleckenteufel und andere Kobolde
Barbora Klárová (Text),
Tomáš Končinský (Text),
Daniel Špaček (Illustration),
Lena Dorn (Übersetzung)

Jurybegründung

Eine Übersetzung bietet ähnlich wie Inszenierungen im Film oder Theater die Möglichkeit, eine Geschichte neu zu erzählen und damit ein neues Publikum zu erreichen. Entscheidend ist dabei das Gespür für die jeweils zur Verfügung stehenden Mittel, in diesem Fall für das sprachliche Material des Deutschen. Lena Dorns Kunst fängt, wie man es von einer souveränen Übersetzerin erwartet, dort an, wo das Wörterbuch endet. Mit Wortneuschöpfungen, kreativ neu erfundenen sprechenden Namen sowie witzigen Wortspielen bringt sie nicht nur junge Leserinnen und Leser zum Staunen und Schmunzeln. Dorn gelingt es zudem, den lockeren Plauderton der Vorlage von Barbora Klárova und Tomáš Končinský wiederzugeben und an einigen Stellen sogar noch zu übertreffen. Ihre Übersetzung geht mit den umgangssprachlichen Wendungen und der fingierten mündlichen Rede sehr gut um und trifft den ironischen, augenzwinkernden Ton des tschechischen Originals.

Lena Dorns Tippo und Fleck ist eine Einladung, in die Welt jener titelgebenden Entropiewichte einzutauchen, die im Verborgenen fleißig und gewissenhaft dafür sorgen, dass die Dinge altern und in ihnen Unordnung herrscht. Zugleich ist ihr Text aber auch ein starkes Statement für übersetzerische Souveränität und eine engagierte Kampfansage wider den Verfall der Sprache.

Karl Rauch, 128 S., EUR 18.--

Originalsprache: Tschechisch
Nominierung 2021, Kategorie: Sonderpreis Neue Talente Übersetzung
Ab 6 Jahren
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Meat Market


Schöner Schein
Juno Dawson (Text),
Christel Kröning (Übersetzung)

Jurybegründung

Juno Dawson schreibt erfolgreiche Unterhaltungsliteratur für Jugendliche, die sich durch ihren starken Gegenwartsbezug sowie die Behandlung kontroverser Themen auszeichnet. Die Aufsteigergeschichte in ihrem Buch Meat Market wird vor allem von der zwischen adoleszenter Großmäuligkeit und sensibler Beobachtungsgabe changierenden Ich-Erzählerin Jana getragen. Das – auch verbale – Aufeinanderprallen einer 16-Jährigen aus einem Londoner Problemviertel mit der internationalen Modewelt bietet dabei eine besondere übersetzerische Herausforderung.

Christel Kröning beweist mit ihrer Arbeit, dass sie es versteht, all diese Eigenschaften der Vorlage zielgruppengerecht ins Deutsche zu übertragen. Sie widmet sich dem Tonfall der Protagonistin und ihrer Freundinnen ebenso wie den hohlen Phrasen der Fashion-Industrie mit viel Einfallsreichtum und ohne Scheu vor Anpassungen an die deutsche Leserschaft. Souverän gelingt dabei auch der Wechsel zwischen verschiedenen Textsorten: Die Übertragung des reißerisch-gehässigen Tonfalls britischer Tabloids überzeugt ebenso wie die in den Text eingestreuten WhatsApp-Nachrichten. Mit Meat Market präsentiert Christel Kröning eine selbstbewusste und durchweg unterhaltsame Übersetzung, die zum Vorbild für das gesamte Genre taugt.

Carlsen, 416 S., EUR 15.--

Originalsprache: Englisch
Nominierung 2021, Kategorie: Sonderpreis Neue Talente Übersetzung
Ab 14 Jahren
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