Eine größere Welt

von Kathleen Vereecken

Die fiktive Biografie des ältesten Sohnes von Jean-Jacques Rousseau.
Die Autorin versteht es atmosphärisch dicht zu schreiben, so dicht, dass man vollständig in die Zeit um 1762 eintauchen kann.
Hauptperson ist Leon, der kurz nach der Geburt vor einem Waisenhaus abgelegt wurde. Der einzige Hinweis auf seine Herkunft, ist eine, in der Windel versteckte, Karte mit einer liegenden Acht, dem Unendlichkeitszeichen.
Die Erzählung beginnt zu der Zeit, da Leon bei einer bitterarmen Pflegefamilie auf dem Land lebt und dort für wenig Essen sein Dasein fristet. Einziger Lichtblick ist die älteste Tochter, Meline, die aber aus Liebeskummer ins Wasser geht. Ohne Rückhalt, ohne Liebe gibt es für Leon nur noch ein Ziel: Lesen und Schreiben zu lernen, um in Paris leben und seine richtigen Eltern suchen zu können. Es folgt ein Sittengemälde  und Zustandsbericht von Paris in den 1760er Jahren, indem das Leben für die meisten Menschen sehr schwer ist, viel schwerer als sich Leon dies vorgestellt hat. Doch schlau wie er ist, schafft er es sich durchzumogeln. Genau in dieser Zeit, erkrankt Rousseau und wähnt sich dem Tode nahe. Aus Reue, er hat nicht nur Leon, sondern alle seine fünf Kinder ausgesetzt, versucht er seinen ältesten Sohn zu finden. Auch die Mutter von Leon, die nie mit Rousseau verheiratet war, versucht gleichzeitig ihren Sohn zu finden. Sie hätten alle zusammenkommen können. Doch Leon, mit verschiedenen Wahrheiten konfrontiert, u.a. hat er auch das Werk seines Vaters "Emile - oder über die Erziehung" gelesen, hat kein Interesse mehr.
Ich weiß, die Inhaltsangabe klingt nach einem dicken Wälzer. Die Autorin versteht es aber diese Geschichte, trotz des relativ geringen Umfanges von 300 Seiten umfänglich zu erzählen.
Empfohlen allen Jugendlichen als Einstieg und Ergänzung in die französische Philosophie und Geschichte rund um die französische Revolution.
Bloomsbury, 299 S., gebunden, EUR 16,90