Romane Herbst 20
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Herzfadenvon Thomas Hettche Der Roman ist mir sehr ans Herz gewachsen, ich wünsche ihm viele Leser*innen. Ein großer Roman über ein kleines Theater: die Augsburger Puppenkiste. Zu gradlinig, zu wenig innovativ für den Deutschen Buchpreis, aber er hat es immerhin auf die Shortlist, die letzten sechs, geschafft. Inhalt: Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im 2. Weltkrieg, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Augsburger Stadttheaters, in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut. In der Bombennacht 1944 verbrennt es zu Schutt und Asche. "Herzfaden" erzählt von der Kraft der Fantasie in dunkler Zeit und von der Wiedergeburt dieses Theaters. Nach dem Krieg gibt Walters Tochter Hatü in der Augsburger Puppenkiste Waisenkindern wie dem Urmel und kleinen Helden wie Kalle Wirsch ein Gesicht. Generationen von Kindern sind mit ihren Marionetten aufgewachsen. Die Augsburger Puppenkiste gehört zur DNA dieses Landes, seit in der ersten TV-Serie im westdeutschen Fernsehen erstmals Jim Knopf auf den Bildschirmen erschien. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 288 S., EUR 24.-- Ein Muss für alle Fans der Augsburger Puppenkiste, aber auch für viele andere Leser*innen ein Stück Zeitgeschichte. |
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Die Marschallin
Ein Roman über das 20. Jahrhundert mit geographischem Schwerpunkt Slowenien und Italien. Man taucht ein in die Geschichte des zerrissenen Balkans, die Zeit von Tito, Gramsci, Mussolini. Eine Zeit, in der Kommunisten und Faschisten auf dem Balkan aufeinanderprallen, und mittendrin: die Familie von Zora del Buono, die Großmutter der Autorin. Inhalt: Die Slowenin Zora lernt ihren späteren Ehemann, den Radiologieprofessor Pietro Del Buono, am Ende des Ersten Weltkriegs kennen. Sie folgt ihm nach Bari in Süditalien, wo sie, beide überzeugte Kommunisten, ein großbürgerliches und doch politisch engagiertes Leben im Widerstand gegen den Faschismus Mussolinis führen. Zora ist herrisch, eindrucksvoll, temperamentvoll und begabt, eine Bewunderin Josip Broz Titos, dem sie Waffen zu liefern versucht und dem ihr Mann das Leben rettet. Ihr Leben und das Leben ihrer Familie, ihrer Kinder und Enkelkinder, vollziehen sich in einer Zeit der Kriege und der Gewalt, erbitterter territorialer und ideologischer Kämpfe, die unsere Welt bis heute prägen. In einem grandiosen Schlussmonolog erzählt die alte Zora Del Buono ihre Geschichte zu Ende, eine Geschichte der Liebe, der Kämpfe, des Hasses und des Verrats. "Die Marschallin" ist ein farbiger, lebenspraller Roman über eine unvergessliche Frau und ein tragisches Familienschicksal. Wäre Zora ein Mann gewesen, so wäre sie Marschall, General oder sogar Staatspräsident geworden. So sinngemäß Elke Heidenreich, die den Roman als "lebenssatten Roman" bezeichnet hat. Ich habe den Roman gleich nach Erscheinen gelesen, weil ich gespannt war auf die Geschichte einer so starken Frauenperson in dieser Zeit, auf ihr Leben im Spannungsfeld zwischen Bourgeoisie, Kommunismus, Politakteurin und nicht zuletzt auch Familienoberhaupt und Mutter, später Großmutter. Viele Facetten, ein interessantes Leben, das die Gechichte des Balkans aus einer persönlichen Sicht erzählt, den Blickwinkel erweitert. C.H.Beck, 382 S., EUR 24.-- |
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Die Stille
Inhalt (Verlagsbeschreibung): New York im Jahr 2022: Es ist der Super Bowl Sunday. In einer Wohnung auf der East Side von Manhattan wollen fünf Menschen gemeinsam das Finale der American Football-League im Fernsehen anschauen. Die emeritierte Physikprofessorin, ihr Mann und ihr früherer Student warten auf die Ankunft eines befreundeten Paares, das gerade auf dem Rückflug von Paris ist. Die Gespräche drehen sich um Einsteins Relativitätstheorie, ein Überwachungsteleskop im nördlichen Chile und eine besondere Bourbon Marke. Und dann passiert etwas Seltsames – auf einmal brechen alle digitalen Verbindungen ab. Sämtliche Bildschirme werden schwarz. Tiefschwarz. Die Freunde treffen ein, ihr Flug war dramatisch. Verwunderung, Erschütterung, Mutmaßungen. Die fünf versuchen sich einen Reim auf das rätselhafte, beängstigende Geschehen zu machen. Sie tauchen tief ein in das Wesen der Zeit, in die Essenz der menschlichen Existenz. |
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Leben verboten!
Beim Suchen nach mehr Informationen zur Autorin, Maria Lazar, bin ich auf umfangreiche Informationen zu diesem verschollenen Werk und der Autorin gestossen, die ich so einfach durch Verlinken zur Verlagsseite weitergeben möchte - da ist einfach alles gesagt. Bleibt mir nur übrig auch meine absolute Leseempfehlung für das Buch abzugeben. |
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Der Klavierstimmer Ihrer Majestät
Ich habe mit Edgar gezaudert den Auftrag anzunehmen die lange Reise nach Birma zu wagen, um ein Klavier zu stimmen. Habe mit ihm zusammen die Überfahrt erlebt und war voller Vorfreude und Erwartung hinsichtlich des geheimnisvollen Arztes auf dessen Wunsch hin, er unterwegs war. Die Spannung stieg immer höher, wie wohl dieser kunstsinnige Mensch mit militärischer Ausbildung und taktischem Verhandlungsgeschick ihn empfangen wird. Was ist er für ein Mensch, welche Gespräche entwickeln sich,.... So schön und ausführlich der Weg war, am Ziel angelangt, begreift die Leserin, der Leser, dass nicht der Arzt, bzw. der verstimmte, auf dem Transport beschädigte Flügel des Arztes im Vordergrund des Romanes steht, oder die militärischen Verwicklungen, sondern wie Edgar durch die Erlebnisse gewinnt, sich selbst näher kommt und sich von der alten Welt und seiner alten Identität immer weiter entfernt. Ein Buch das nachhallt, wenn ich auch gerne noch tiefer in die Geschichte dieser beiden Männer eingetaucht wäre. Es bleibt doch ziemlich viel offen, was aber auch wieder seinen Reiz hat. Mir hätte eine Prise mehr "englischer Patient" noch gut gefallen. Aber ein Buch mit weniger als 500 Seiten hat es bei mir auch schwer (!) Inhalt: London 1887: Die britischen Kolonialherren in Afrika und Asien stehen auf der Höhe ihrer Macht. Doch von den Gewaltverbrechen in der Ferne bekommt der Klavierstimmer Edgar Drake nur wenig mit, er hat Großbritannien noch nie verlassen - bis sein beschauliches Leben plötzlich komplett auf den Kopf gestellt wird: Wieso schickt ihn das britische Kriegsministerium in den umkämpften Dschungel von Birma, um einen Flügel zu reparieren? Der Flügel gehört dem dort stationierten Militärarzt Anthony Carrol, der das Instrument einsetzt, um über die Kraft der Musik einen friedlichen Dialog mit den Einheimischen zu führen. Der Brutalität des Krieges auf diese Weise zu trotzten, beeindruckt Drake, er nimmt den Auftrag an. Und tatsächlich verfällt er Birma. Ihn fesseln die exotische Landschaft die fremden Bräuchen, die Menschen... Selbst als die Arbeiten am Flügel längst vollzogen sind, schafft er es nicht sich von dieser faszinierenden Welt zu lösen - mit fatalen Folgen. C.H. Beck, gebunden, 398 S., EUR 24.-- |
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Die Erfindung des Countdowns
von Daniel Mellem Ein Roman über den Raketenpionier Hermann Oberth. Dieser wurde 1894 im heutigen Sibiu in Rumänien geboren das damals noch Hermannstadt hieß und zu Österreich-Ungarn gehörte. Daniel Mellem zeichnet ein Porträt des Wissenschaftlers und verortet ihn irgendwo zwischen einem weltfremden Utopisten und einem Genie, besessen von der Idee des Baus einer Mondrakete. In der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen war es mehr Utopie als Erfolgsgeschichte. Trotzdem hielt er an seinem Traum fest, auch wenn er immer wieder mit Rückschlägen fertig werden mußte. Obath forscht weiter, finanziert seine Forschung selbst, berät Ende der 20er Jahre den Regisseur Fritz Lang bei seinem Film "Die Frau im Mond" und soll außerdem, zu Werbezwecken, eine echte Rakete bauen und in den Himmel steigen lassen. Im Film gelingt der Raketenstart glänzend. Lang hat, aus dramaturgischen Gründen, eigens dafür eine neue Zählweise erfunden: den Countdown. Die echte Rakete, die zur Premiere des Filmes starten soll, wird hingegen nicht fertig. Oberth, der Tag und Nacht daran gearbeitet und auch sein eigenes Geld verpulvert hat, muss, zum zweiten Mal als Gescheiterter, nach Rumänien zurück. Folgenlos bleibt sein Aufenthalt in Deutschland aber auch dieses Mal nicht. Ein junger Student, der Oberth beim Bau der Rakete eifrig unterstützt hat, macht sich diese Erfahrungen zunutze: Wernher von Braun. Er wird, nur wenige Jahre später, nicht einmal 30-jährig, technischer Direktor in der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde. Und entwickelt dort "Aggregat 4", jene Rakete, die im Juni 1944 erstmals eine Höhe von über 100 Kilometer erreicht. Ab September 1944 werden diese Raketen, von Joseph Goebbels in "Vergeltungswaffe 2" umgetauft, dann auf London und Antwerpen gefeuert. Welche Rolle Oberth im Nationalsozialismus gespielt hat? Ein gelungener Roman, eine fiktionale Biografie, sehr nahe an der Realität. |
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Die Unschärfe der Welt von Iris Wolff Ich muss bei diesem Buch immer wieder zur letzten Seite blättern - nachdem ich es gelesen habe - wie wenig Seiten hat dieses Buch? 213 Seiten? Es ist schon wahre Erzählkunst, einen Generationenroman, der das Leben einer Familie und einer Dorfgemeinschaft aus verschiedenen Blickwinkeln, Zeiten und von verschiedenen Protagonisten aufrollt so kompakt zu kombinieren. Und dabei, Verlagsbeschreibung: Iris Wolff erzählt die bewegte Geschichte einer Familie aus dem Banat, deren Bande so eng geknüpft sind, dass sie selbst über Grenzen hinweg nicht zerreißen. Ein Roman über Menschen aus vier Generationen, der auf berückend poetische Weise Verlust und Neuanfang miteinander in Beziehung setzt. Verlag Klett-Cotta, 216 S., EUR 20.--, erscheint 24.8.20 |
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Die verschwindende Hälfte
Zu eng gegriffen wäre es, dieses Buch nur aufgrund der Geschichte, des Plots zu lesen. Ja: "Weißsein für Anfänger", "Pflichtlektüre der Black-Lives-Matter" Bewegung, die Autorin wird als Nachfolgerin von Toni Morrisson gefeiert... Hinzu kommt aber ein wichtiges Moment: der Roman ist intelligent aufgebaut, die Erzählstränge und Zeiten meisterhaft innenander verwoben, die Auflösung verblüffend, ein Pageturner! Aus beiden Gründen: Leseempfehlung! Im Buch geht es um den Rassenwahn in den USA, genauer in den Südstaaten, in Louisiana in den 50erJahren, dort wo man mit anderer Hautfarbe die größten Probleme hat, um das Leben fürchten muss. Und deshalb die Konsequenz: "White-Passing". Je hellhäutiger, desto größer die Chance als Weißer durchzugegen, ein besseres Leben führen zu können. Inhalt (Verlagsbeschreibung): Mallard, ein kleiner Ort im ländlichen Louisiana. Da wohnen sehr helle Schwarze Menschen, die stolz darauf sind so weiß zu sein. Seine Bewohner blicken mit Stolz auf eine lange Tradition und Geschichte, und vor allem auf ihre Kinder, die von Generation zu Generation hellhäutiger werden, da Ehen mit Schwarzen vermieden werden. Hier werden in den 1950ern Stella und Desiree geboren. Zu dieser Zeit herrscht strikte Rassentrennung und das sogenannte "Whitening" als probates Mittel sich als Weiße, Weißer auszugeben um bessere Ausgangsbedingungen zu haben. Die Zwillingsschwestern gelten als farbig und damit ist ihr weiteres Schicksal vorgezeichnet, sie werden als Dienstbotinen für Weiße ihr Leben fristen müssen. Sie sind von ganz unterschiedlichem Wesen. Aber in einem sind sie sich einig: An diesem Ort sehen sie keine Zukunft für sich. In New Orleans, wohin sie flüchten, trennen sich ihre Wege. Denn Stella tritt unbemerkt durch eine den weißen Amerikanern vorbehaltene Tür - und schlägt sie kurzerhand hinter sich zu. Desiree dagegen heiratet den dunkelhäutigsten Mann, den sie finden kann. Und Jahrzehnte müssen vergehen, bis zu einem unwahrscheinlichen Wiedersehen. Dieses Buch macht sichtbar, wie sich das Leben zweier Menschen, die nicht gleicher sein können, nämlich eineiiger Zwillinge, ganz unterschiedlich entwickeln, ausgelöst dadurch, und das ist das Interessante daran, weil sie sich entscheiden (müssen) auf welcher Seite sie stehen. Welcher Lebensentwurf für sie der Richtige ist, welche Identität: die der Verleugnung der Herkunft und Hautfarbe zugunsten von Privilegien, oder die angeborene, mit dem Stolz auf die eigene Herkunft und mit dem Zugehörigkeitsgefühl zur farbigen Community und Familie verbundene. Rowohlt, 424 S., gebunden EUR 22.--- |
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Der verlorene Sohn
Da ich selbst gerne in andere Zeiten eintauche und viele meiner Kund*innen auch immer wieder nach Romanen aus anderen Welten, politischen Systemen, anderer Kulturkreisen usw. fragen, freue ich mich immer wieder einen neuen Titel empfehlen zu dürfen, wie schon in den letzten Jahren: Alexander Osangs "Leben der Elena Silber" oder "Alle, außer mir" von Francesca Melandri oder auch ganz neu erschienen: "Die Marschalin" von Zora Del Buono. Gemeinsam ist all diesen Romanen wie Fiktion und reale Biografien miteinander verschmelzen. So auch hier. Im Mittelpunkt steht die Geschichte um den Sohn eines berühmten islamischen Führers und erbitterten Gegners Russland im Kaukasischen Krieg: Imam Schamil war 1834 bis 1859 religiös-politischer Führer der muslimischen Bergvölker Dagestans und Tschetscheniens und organisierte in dieser Zeit deren Widerstand gegen die russische Eroberung des Norostkaukasus. Inhalt: Akhulgo, Nordkaukasus, 1839: Jamalludin wächst als Sohn des mächtigen Imams auf. Seit Jahrzehnten tobt der Kaukasische Krieg, und sein Vater wird von der russischen Armee immer mehr bedrängt. Schließlich muss er seinen Sohn als Geisel geben, um die Verhandlungen mit dem Feind aufzunehmen, und Jamalludin wird an den Hof des Zaren nach St. Petersburg gebracht. Dort wird er mit einer anderen Welt konfrontiert. Der Wohlstand, die Kultiviertheit des Lebens am Hof steht in krassem Kontrast zu seinem bisherigen Leben. Einerseits ist er fasziniert und profitiert von Bildung und Umgang, andererseits bleibt ihm auch vieles fremd, vermisst er seine eigene Kultur und seine Familie. Bis er wieder zurückkehren kann, ausgetaucht gegen Gefangene seines Vaters vergehen 15 Jahre, er war neun Jahre alt, als er von Zuhause wegmußte. Zurück kann er sich nicht mehr in die archaische Lebensweise eingliedern. Zu deutlich sieht er auch, dass alles in einer Katastrophe, blutig und sinnlos enden wird. Olga Grjasnowa erzählt sprachmächtig von einem Kind, das zwischen zwei Kulturen und zwei Religionen steht und seine Identität finden muss. Und von der verheerenden Wirkung eines Krieges, in dem es keine Sieger geben kann. Aufbau Verlag, 383 S., EUR 22.-- |
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Zugvögelvon Charlotte McConaghy Man sollte sich nicht vom Klappentext leiten lassen, bzw. wie in diesem Fall abschrecken, sonst verpasst man vielleicht gut geschriebene Geschichten. So auch wie die der Autorin Charlotte McConagh, die die Geschichte von Franny erzählt, deren Leben immer schon von einem Fluchtreflex bestimmt war. Schon als Kind, wie man in Rückblenden erfährt, war sie eine Flüchtende. Auch später als Erwachsene war sie ständig auf Suche, konnte dann aber auch nicht festhalten, wo Rückhalt, Liebe gewesen ist. Wie ein Zugvogel, der immer wieder aufbrechen muss. Schliesslich sind es auch diese, denen sie jetzt ihre Aufmerksamkeit schenkt. Sie ist zur Ornithologin geworden. Ihr Ziel ist es, Zugvögel auf ihrem langen Weg von der Arktis zur Antarktis zu begleiten. Die Jetztzeit in der Erzählung scheint in unserer nahen Zukunft zu liegen. Wildlebende Tiere und auch Vögel sind kaum noch aufzufinden, Franny macht sich deshalb mit einer Crew von bunt zusammengewürfelten Menschen in einem Fischerboot auf, die letzten Küstenseeschwalben aufzuspüren. Diese oberflächliche Handlungsebene, hat mich nicht dazu animiert das Buch zu lesen, oder als Empfehlung weiterzugeben. Sondern die Erzählweise, die den Lesenden spiralförmig immer tiefer in die Geschichte von Granny hineinzieht. Puzzlestücke, die sich langsam zusammenfügen. Der Roman entfaltet eine immense psychologische Kraft, die beeindruckt. Eine Inhaltsbeschreibung die den Roman auf das Thema die Letzten ihrer Art, Überfischung, Vogelsterben etc. reduziert, wird dem Roman nicht gerecht und es wäre schade, wenn das Buch deshalb von Vielen nach Lesen des Klappentextes, beiseitegelegt werden würde. S. Fischer Verlag, 400 S., gebunden mit Schutzumschlag, EUR 22.--
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Leben ist ein unregelmäßiges Verb
Inhalt: Eine Aussteiger-Kommune auf dem Land, 1980: Die Behörden entdecken vier Kinder, die versteckt vor der Welt aufgewachsen sind. Ihre Schicksale werden auf Schlagzeilen reduziert, doch Frida, Ringo, Leander und Linus sind vor allem Menschen mit eigenen Geschichten. Aus der Isolation in die Wirklichkeit geworfen, blicken sie staunend um sich. Und leben die unterschiedlichsten Leben an zahllosen Orten: In Pflegefamilien und Internaten, auf Inseln und Bergen, als Hassende und Liebende. Wie finden sich Verlorene in der Welt zurecht? In seinem ganz eigenen zärtlich-lakonischen Ton erzählt Rolf Lappert in diesem großen Roman wie man sich von seiner Kindheit entfernt, ohne sie jemals hinter sich zu lassen. Hanser Verlag, 992 S., gebunden, EUR 32.--
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Bis wieder einer weint von Eva Sichelschmidt Ein Familienroman der anspruchsvollen Sorte. Steht exemplarisch für viele Familien im Auf und Ab des Nachkriegsdeutschlandes. Hochgepokert, tiefgefallen und gespickt mit handfesten Skandalen. Duchaus lesenswert. Preisverdächtig? Die Rautenbergs: die Geschichte einer westdeutschen Unternehmerfamilie und ihres Verfalls. Als Wilhelm und Inga sich kennenlernen, sitzt Adenauer noch im Kanzleramt. Arzttochter Inga ist eine Schönheit und Wilhelm, der erfolgreicher Dressurreiter, die beste Partie. Doch kurz nach der Geburt des zweiten Kindes stirbt Inga an Leukämie. Die jüngere Tochter wird zu den Großeltern mütterlicherseits gegeben, die ältere bleibt beim Vater. Der baut sich, um den Zwängen der Freikirchlichen Gemeinde und seiner strengen Mutter zu entfliehen, ein Haus, kilometerweit vom nächsten Nachbarn. Nach sieben Jahren holt Wilhelm seine Jüngste wieder zu sich – , ganz wie im Märchen. Was aber folgt, ist alles andere als märchenhaft. Verlag Rowohlt, 480 S., EUR 22.-- |
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Die Infantin trägt den Scheitel links von Helene Adler Der letzten Zeile aus dem Verlagstext kann ich nur vollstens zustimmen: "...schrill, derb, ungeschminkt, rotzfrech und halt wie des Landleben...Eine sehr ernste Angelegenheit, ein sehr großer Spaß." von einem Mädchen, das sich nicht kleinkriegen lässt. Nicht einmal von der eigenen Familie.... Ich mag den Schreibstil. Diese auf den Punkt gebrachten Schilderungen des Lebens auf dem Land, skurill, eigen, gespickt mit schwarzem Humor und klugen Einsichten. Das sehr schnelle Erzähltempo, jagt einen beim Lesen von Szene zu Szene und man ist versucht am Schluß des Buches die eine oder andere Szene, oder Beschreibung ein Zweites Mal zu lesen - oder nochmal - langsam das Buch. Verlagsbeschreibung: Dass sie, die jüngste Tochter, das zarte Kind, den Bauernhof ihrer Eltern abfackelt, ist nicht nur ein Versehen, es ist auch Notwehr. Ein Akt der Selbstbehauptung gegen die Zumutungen des Heranwachsens unter dem Regime der Eltern, einer frömmelnden, bigotten Mutter und eines Vaters mit einem fatalen Hang zu Alkohol, Pyrotechnik und Esoterik. Von den älteren Zwillingsschwestern nicht zu reden, zwei Eisprinzessinnen, die einem bösen Märchen entsprungen sind und ihr, der Infantin in Stallstiefeln, übel mitspielen, wo sie nur können. Und natürlich fehlen auch Jäger, Pfarrer und Bürgermeister nicht in dieser Heuboden- und Heimatidylle, die in den schönsten Höllenfarben gemalt ist und in der es so handfest und herzhaft zugeht wie lange nicht. |
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Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
Neapel in den Neunzigern, Giovanna ist dreizehn Jahre alt, die Vorzeigetochter kultivierter Mittelschichtseltern, eine strebsame Schülerin. Doch plötzlich verändert sich alles, ihr Körper, ihre Stimmung, die Noten brechen ein, und immer öfter gerät sie mit ihren Eltern aneinander. Zufällig kommt Giovanna der Vorgeschichte ihres Vaters auf die Spur, der aus einem ganz anderen Neapel stammt, einem leidenschaftlichen, vulgären Neapel. Dort lebt auch noch die Schwester ihres Vaters, ihre Tante, noch so, wie die Familie früher gelebt hat. Giovanna sucht den Kontakt zu der totgeschwiegenen Tante und taucht ein in ein anderes Neapel. Sie fühlt sich geschmeichelt, denn die jungen Männer sehen sie schon als Frau, bzw. als weibliches Objekt, was Giovanna aber geflissentlich übersieht. ihre Eltern setzen sich scheinhellig über diese Menschen Deren doppelte Moral entlarvend, stürzt Giovanni in eine Krise. Wem kann sie überhaupt noch trauen? Und was soll ihr Halt geben? Oder ist sie selber bereits unrettbar verwoben in dieses lügenhafte Leben der Erwachsenen? Elena Ferrante hat ein Bravourstück geschaffen und einen traurigen und schönen Roman geschrieben: über die Heucheleien der Eltern, die Atemlosigkeiten und Verwirrungen der Jugendzeit und über das Drama des Erwachsenwerdens. Darüber, wie es ist, ein Mädchen zu sein und eine Frau zu werden. |
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