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Auf See

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Auf See

 

von Theresia Enzensberger

War nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022, Longlist

Theresia Enzensbergers Roman erzählt von den utopischen Versprechen neuer Gemeinschaften. Aktuell: "Vineta" von diesem fiktiven Projekt erzählt der Roman.

Die Seestatt, das alternative Lebensprojekt von Nicholas Verney, ist Heimat der jungen Tochter des Gründers, Yada. Sie ist dort aufgewachsen, lebt dort und erzählt von ihrem Alltag.

Im zweiten Erzählstrang wird ein Bild der Menschen gezeichnet, die, vom Untergang geweiht, jenseits der Insel leben. Beide Erzählstränge sind durch die erzählenden Personen verbunden, was sich im Laufe der Handlung herauskristallisiert. Unterbrochen werden die Handlungsstränge durch die sogenannten Aufzeichnungen aus dem Archiv. Und das ist für mich eigentlich der interessanteste Part.

Inhalt:

Der Wissenschaftler, Nicholas Verney, initiiert, als Antwort auf Klimakatastrophen, ein alternatives Lebensprojekt: er lässt eine Insel bauen. Die Erzählung setzt ca. 15 Jahre danach ein. 

Das Projekt, dem nachhaltigen Leben und Wirtschaften verpflichtet, wird beschrieben als ein architektonisches Wunderwerk: Vierzig wie Waben miteinander verbundene Einheiten und Gemeinschaftsstationen, in der Ostsee verortet, zwischen Küstenmeer und hoher See. Um die Insel herum, ein mächtiger Wellenbrecher, dahinter Windräder. Die Gemeinschaft sollte autark vom Festland sein. Sie bekam den Namen "Vineta". Verney stellte hochkarätige Wissenschaftler:innen  ein, die vor Ort Forschung zu verschiedenen nachhaltigen Projekten der Insel betreiben sollten; er holte Mediziner an Bord, die die Bewohner mit speziellen Biohacking-Kuren versorgen sollten. Nicht zuletzt wurde es ein großes Finanzierungsprojekt. Doch schon nach wenigen Monaten drangen Berichte über Unstimmigkeiten zwischen fast allen Beteiligten an die Öffentlichkeit. Übrig blieb auf Vineta ein harter Kern aus Waffenliebhabern, Utopisten und Preppern. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Geschichte um Yada und die anderen Protagonisten jenseits der Insel, deren Leben, deren Scheitern und den Verbindungen zwischen den Menschen.

Im Archiv, dem "Sachteil" des Romans berichtet die Autorin in essayistischem Stil, über andere utopische Projekte, wie dem "New Atlantis" von Leicester Hemingway, dem Projekt "Green Mountain" von Darwin, dem "Königreich Poyais" des Betrügers Gregor MacGregor, dem Inselstaat "Nauru", von "Scientology" und natürlich "Libertatia".

Insgesamt alles interessant. Mir fehlte die Tiefe in den Erzähltexten und der Anlage der Figuren, die doch alle sehr blass geblieben sind. Aber durchaus lohnenswert zu lesen, v.a. aufgrund von Denkanstössen über Möglichkeit und Scheitern alternativer Lebenskonzepten.

Hanser Verlag, 269 S., EUR 24.--

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