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Volk der Bäume

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Das Volk der Bäume


von  Hanya Yanagihara

Auch dieser, im Original 2013 erschienene Roman (also vor ihrem Bestseller "Ein wenig Leben") besticht durch Sprache und Erzählkunst. Ich finde ihn lesenswert. Allerdings geht es um ein sehr sperriges Thema. Anthropologie und die Übertragung von Sitten und Gebräuchen - hier eines Volkes der Mikronesischen Inseln - auf unsere westliche Gesellschaft.

Es  handelt sich um die Lebenserinnerungen des Arztes und Immunologen Norton Perina (fiktiv, dazu unten aber mehr), der diese im Gefängnis niederschreibt. Als junger Wissenschaftler ist er Teil einer Expedition, der er sich anschließt, um der Langeweile zu entkommen und angelockt durch den Mythos, dass auf einer der Inseln Unsterbliche leben. Durch den nur schwer zu durchdringenden Dschungel abgeschreckt, und auch verwirrt von der Lebensweise der Inselbewohner, ist er doch gleichzeitig fasziniert von deren Ritualen. Diese Faszination gepaart mit Forscherstolz schadet nicht nur den Inseln, sowohl der Vegetation als auch den dort lebenden Menschen, sondern greift auch massiv in sein Leben ein. Die plötzlich mit dem Wohlstand anderer Kontinente konfrontierten Einwohner drängen darauf, dass ihre Kinder im Wohlstand der westlichen Welt aufwachsen dürfen. Perina adoptiert im Laufe der Zeit immer mehr Kinder, und lässt sie bei sich im Haus wohnen, finanziert ihnen Schule und Ausbildung. Die meisten Kinder ordnen sich widerstandslos unter, profitieren von Perinas Freigiebigkeit, aber müssen auch erleben, dass der Forscher die Grenzen unter Berufung und Rechtfertigung der Bräuche v.a. der Sexualmoral des Herkunftslandes der Kinder, immer wieder überschreitet. Er verfängt sich in Fragen von Schuld und Unschuld, hin- und hergerissen zwischen zwei verschiedenen Moralsystemen. Er wird 1997 zu zwei Jahren Haft verurteilt wegen Vergewaltigung eines seiner 43 Adoptivkinder. Im Gefängnis schreibt er seine Lebenserinnerungen.

Soweit die Fiktion nun zum realen Vorbild:

Das Buch orientiert sich an einer historischen Gestalt, dem Nobelpreisträger für Medizin Daniel Carleton Gajdusek – und einer grossen Frage: "Wenn ein grosser Mann schreckliche Dinge tut, ist er dann noch ein grosser Mann?" Der Mediziner hat durch die Entdeckung von langsamen Erregeren die Grundlage für die Erforschung und das Verstehen vieler Krankheiten (AIDS, der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Rinderwahn...)gelegt. Forschungsgebiet waren Völker in Mikronesien und auch da ist die Handlung eng an Gajdusek angelehnt, er adoptierte ca. 50 Kinder aus dieser Region. Gajduseks Faszination für die Geschlechtsmoral seines Untersuchungsmilieus wurde ihm zum Verhängnis. Er wurde hochbetagt verhaftet, und wegen sexuellem Mißbrauch an dem von ihm adoptieren Kindern verurteilt, wegen nichtbestehender Fluchtgefahr auf Kaution freigelassen. Die letzten Lebensjahre verbrachte er in Europa, wo er 2008 im Alter von 85 Jahren starb.

Lesenswert!

Hanser Verlag, 480 S., gebunden, EUR 25.---

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