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Literatur Erwachsene

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Alles Licht, das wir nicht sehen


von Doerr, Anthony

Roman

Pulitzer-Preis für Literatur 2015

SWR-Bestenliste Juni 2015: Platz 8 - 9

Die Auszeichnung des Werkes mit dem Pulitzer-Preis ist umstritten. Letztes Jahr war sich die Literaturszene einig. Preisträgerin Donna Tartt überzeugte durch die Reihen mit ihrem Roman "Der Goldfink". Es ist immer schwierig, der Preisträger nach einem solch herausragenden Werk wie "The Goldfinch", so das Original, zu sein. Ich habe dem "Alles Licht das wir nicht sehen" eine Chance gegeben und es nicht bereut.
Zum Inhalt:
Saint-Malo 1944: Die erblindete Marie-Laure flieht mit ihrem Vater, einem Angestellten des „Muséum National d’Histoire Naturelle“, aus dem besetzten Paris zu ihrem kauzigen Onkel in die Stadt am Meer. Verborgen in ihrem Gepäck führen sie den wahrscheinlich kostbarsten Schatz des Museums mit sich.
Werner Hausner, ein schmächtiger Waisenjunge aus dem Ruhrgebiet, wird wegen seiner technischen Begabung gefördert und landet auf Umwegen in einer Spezialeinheit der Wehrmacht, die die Feindsender der Widerstandskämpfer aufzuspüren versucht. Während Marie-Laures Vater von den Deutschen verschleppt und verhört wird, dringt Werners Einheit nach Saint-Malo vor, auf der Suche nach dem Sender, der die Résistance mit Daten versorgt … Hochspannend und mit einer außergewöhnlichen Sprachkunst erzählt Anthony Doerr die berührende Geschichte von Marie-Laure und Werner, deren Lebenswege sich für einen schicksalsträchtigen Augenblick kreuzen.

Es ist eine Geschichte die ein breites Publikum anspricht. Das mag jetzt negativ klingen -  ist aber nicht so gemeint. Denn dies trifft teilweise auf die Handlung zu, die zugegebenerweise schon etwas überstrapazierte Motive aufnimmt, doch nicht für die Struktur des Romanes. Sowohl die Erzählstruktur, als auch die Protagonisten, die wechselnden Perspektiven und verschiedenen Zeitebenen und die auf  erwartbare Art und Weise, aber schön zusammenlaufenden einzelnen Erzählstränge, lassen dies Werk trotzdem zum Leseerlebnis werden. 
Ich habe es gerne gelesen und empfehle es breit weiter.

CH.Beck, 3. Auflage 2015, 519 S. gebunden, EUR 19,95

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Winters Garten


von Valerie Fritsch

Eine Dystopie? Ein gedankliches Experiment - auf jedenfall ein literarisches Experiment. Kommt daher wie aneinandergereihte Stimmungsbilder der Vergangenheit und Gegenwart und einer nicht allzu fernen Zukunft. Verwirrend und doch klar.

Winters Garten, so heißt die idyllische Kolonie jenseits der Stadt, in der alles üppig wächst und gedeiht, die Pflanzen wie die Tiere, in der die Alten abends geigend auf der Veranda sitzen, die Eltern ihre Säuglinge wiegen und die Hofhunde den Kindern das Blut von den aufgeschlagenen Knien lecken. Dort ist Anton bei seinen Großeltern aufgewachsen. Später zog es auch ihn in die Stadt. Jetzt in Antons Gegenwart, die irgendwann in der Zukunft angesiedelt ist, scheint die Welt  aus den Fugen geraten zu sein. Das Ende  der Welt ist greifbar, überall wird gestorben, die Menschen bringen sich selbst um, niemand erwartet noch etwas über den Zeitpunkt X hinweg, dieser scheint unmittelbar bevorzustehen. Und gerade jetzt oder weil, verliebt sich Anton unsterblich in Frederike. Vielleicht erinnert er sich deshalb immer wieder an seine Kindheit in der Kolonie. In der Stadt gerät alles aus den Fugen.  Häuser und Straßenzüge verfallen, Menschen sterben, wilde Tiere dringen in Vorgärten und Hinterhöfe ein, das Leben wie es die Menschen bisher kannten hört auf zu existieren - da beschließt Anton mit Friederike wieder in die Scheinwelt, den Sehnsuchtsort seiner Kindheit und den seines Inneren, in die Illusion, die Erinnerung, zurückzukehren.

Sprachmächtig und in sinnlichen Bildern erzählt die junge österreichische Autorin Valerie Fritsch von einer Welt aus den Fugen. Und von zwei Menschen, die sich unsterblich ineinander verlieben, als die Gegenwart nichts mehr verspricht und die Zukunft womöglich ein Traum bleiben muss.

Suhrkamp Verlag, 154 S., gebunden EUR 16,95

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Montecristo


von Martin Suter

Unterhaltend,, spannend, gut recherchiert, von aktueller Brisanz - Suter eben!

Ein Personenschaden bei einer Fahrt im Intercity und zwei Hundertfrankenscheine mit identischer Seriennummer: Auf den ersten Blick hat beides nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten Blick schon. Und Videojournalist Jonas Brand ahnt bald, dass es sich nur um die Spitze eines Eisbergs handelt. Ein aktueller, hochspannender Thriller aus der Welt der Banker, Börsenhändler, Journalisten und Politiker – das abgründige Szenario eines folgenreichen Finanzskandals.

Als sein Intercity gewaltsam zum Stehen kommt, ahnt Jonas Brand noch nicht, in welches Abenteuer er gerade gerät. Die Weiterfahrt ist blockiert, draußen liegt ein Toter. Brand schultert die Kamera, hält die beklemmende Situation fest und befragt die Mitreisenden. Er ist freischaffender Videojournalist, der allerdings von Höherem träumt: Er möchte Filme machen, und sein Projekt "Montecristo", eine Geschichte über Verrat, Betrug und späte Rache, hat Blockbuster-Potenzial – wenn ihm nur jemand eine Chance geben würde. Als er sich in Marina Ruiz verliebt und sie ihm seine Träume entlockt, rücken diese erneut in den Vordergrund. Knapp drei Monate später spielt ihm der Zufall wieder etwas Seltsames in die Hände: zwei Hundertfrankenscheine mit identischer Seriennummer – beide, wie man ihm bei der Bank verblüfft bestätigt, eindeutig echt. Und dann wird Brands Wohnung durchwühlt und er selbst auf offener Straße zusammengeschlagen und beraubt. Jemand soll offenbar eine Ungereimtheit aus der Welt schaffen – und damit zugleich Zweifel an der Glaubwürdigkeit einiger staatstragender Persönlichkeiten.

Diogenes, Hardcover Leinen, 320 S., EUR 23,90

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Kindeswohl


von Ian McEwan

Aus dem Englischen von Werner Schmitz

Ein Buch, das Diskussionen auslöst über die Frage des Verhältnisses von Religion und Medizin, das Selbstbestimmungsrecht bei Krankheit und drohendem Tod.

Fiona Maye ist eine angesehene Richterin am High Court in London mit dem Spezialgebiet Familienrecht: Scheidungen, Sorgerecht und: Fragen des Kindeswohls. Sie ist bekannt für ihre Gewissenhaftigkeit. Mit ihrem Mann Jack, einem Geschichtsprofessor, ist sie seit mehr als dreißig Jahren verheiratet – harmonisch, wenn auch in letzter Zeit vielleicht ein wenig distanziert. So fällt Fiona aus allen Wolken, als er ihr eröffnet, dass er ihren Segen für eine außereheliche Affäre will. Genau in diesem Moment wird ihr ein eiliger Fall vorgelegt: Ein 17-jähriger Junge, der an Leukämie leidet, benötigt dringend eine Bluttransfusion. Aber seine Familie – Zeugen Jehovas – lehnt das aus religiösen Gründen ab. Genauso wie er selbst. Doch ohne Transfusion wird er qualvoll sterben. Fiona bleiben für ihr Urteil weniger als 24 Stunden. Kann sie jetzt, inmitten ihres emotionalen Tumults, ihre kühle Professionalität bewahren?

Es geht also auch wieder in diesem Werk von Ian McEwan um die Frage der Schuld. Hier in diesem Roman etwas kurz und stellenweise unbefriedigend abgehandelt, trotzdem lesenswert!

Diogenes, 224 S., geb. EUR 21,90

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Alle Nähe fern


von André Herzberg

Drei Generationen, zwei Weltkriege, zwei Diktaturen: Die bewegende Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie

André Herzberg erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie, drei Generationen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Der Großvater Heinrich Zimmermann hatte es vom einfachen Lederhändler zum mittelständischen Unternehmer gebracht, pflegte ein deutschnationales Weltbild. In buchstäblich letzter Sekunde gehen er und seine Frau ins Exil. Den Sohn Paul haben sie schon vorher nach England in Sicherheit gebracht. Nach dem Krieg geht Paul als überzeugter Kommunist in die DDR, verdrängt dort seine Herkunft, lebt „bescheiden“ als ranghoher Funktionär. Sein Sohn Jakob, der Erzähler des Romans, wird nach einer schwierigen Kindheit Sänger, durchlebt nach dem Mauerfall eine existentielle Krise und findet nach langem Suchen zum Judentum und zu sich selbst. Lakonisch und bildgewaltig erzählt André Herzberg von der generationsübergreifenden lebenslangen Sehnsucht nach Bindung und Zugehörigkeit: zu einem Land, zu einer Partei, zu einer Familie. Und von Fremdheit zwischen Vätern und Söhnen. Ein starker literarischer Text, eine außergewöhnliche Familiengeschichte.

Ullstein Verlag, gebunden EUR 21,00

   
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Butcher's Crossing


von John Williams

"Das Paradies der Schöpfung macht der Mensch zur Hölle auf Erden "

Es war um 1870, als Will Andrews der Aussicht auf eine glänzende Karriere und Harvard den Rücken kehrt. Beflügelt von der Naturauffassung Ralph W. Emersons, sucht er im Westen nach einer »
ursprünglichen Beziehung zur Natur. In Butcher's Crossing, einem kleinen Städtchen in Kansas, am Rande von Nirgendwo, wimmelt es von rastlosen Männern, die das Abenteuer suchen und schnell verdientes Geld ebenso schnell wieder vergeuden. Einer von ihnen lockt Andrews mit Geschichten von riesigen Büffelherden, die, versteckt in einem entlegenen Tal tief in den Colorado Rockies, nur eingefangen werden müssten: Andrews schließt sich einer Expedition an, mit dem Ziel, die Tiere aufzuspüren. Die Reise ist aufreibend und strapaziös, aber am Ende erreichen die Männer einen Ort von paradiesischer Schönheit. Doch statt von Ehrfurcht werden sie von Gier ergriffen - und entfesseln eine Tragödie. Ein Roman darüber, wie man im Leben verliert und was man dabei gewinnt.

Das Abschlachten der Büffel und die vielen Strapazen der Jagd, mit Wintereinbruch, Entbehrungen, harten Männern etc. lässt Jack London Feeling aufkommen - nicht so mein Thema, trotzdem empfehlenswert.
Vor allem auch für Leser seines Buches "Stoner"

dtv, 368 S., gebunden EUR 21,90

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Hart auf Hart

 

von T.C. Boyle

Absoluter Freiheitsanspruch und Verfolgungswahn – T. C. Boyle erkundet in seinem neuen Roman die dunkle Seite der USA.

Adam, den seine Eltern nach etlichen Schulverweisen und Therapiesitzungen aufgegeben haben, ist eine wandelnde Zeitbombe: In der Wildnis, wo er ein Schlafmohnfeld angelegt hat, führt er ein Einsiedlerleben und hortet Waffen gegen imaginäre Feinde. Aber es gibt jemanden, der sich in ihn verliebt. Sara hat ebenfalls ausreichend Feindbilder: Spießertum, Globalisierung, Verschwörer und die Staatsgewalt. Als sie Adam am Straßenrand aufgabelt, beginnt eine leidenschaftliche Liaison. Doch bald merkt Sara, dass Adam es ernst meint mit den Feinden, sehr ernst.

Wieder ein neuer T.C. Boyle, wie man ihn seit dem Werk "Amerika" kennt.
Auch hier im Vordergrund Kritik an der amerikanischen Gesellschaft und die Frage nach den Selbstverwirklichungsmöglichkeiten der Menschen, der großen Frage der Selbstbestimmung, eines individuellen Lebens oder noch größer, der Freiheit, in einem Land in der heutigen Zeit.

Hanser Verlag, 400 S., gebunden EUR 22,90

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Die Schuld der anderen


von Gila Lustiger

Französische Verhältnisse. Ein komplexer Polit- und Wirtschaftsthriller.
Was plätschernd beginnt entwickelt sich schnell zu einer vielschichtigen Geschichte, die ein Journalist Schicht um Schicht zu Tage fördert.

Zehn Zeilen – mehr hat Marc Rappaport einem 27 Jahre zurückliegenden Prostituiertenmord, der jetzt durch DNA-Abgleich gelöst sein soll, nicht zu widmen gedacht. Und doch will er mehr über die Geschichte der jungen Frau erfahren, die mit 18 aus der Enge ihrer Industriekleinstadt nach Paris floh, um zu studieren, und dort in die Prostitution schlitterte.
Marc Rappaport stößt auf ein Geflecht von Korruption und Vertuschung das bis in die höchsten Kreise der französischen Gesellschaft reicht. Dass die alten Seilschaften nach wie vor aktiv sind, erfährt Rappaport am eigenen Leibe. Ein Schlägertrupp des Abgeordneten Guerin und mutmaßlichen Mörders Emilies soll ihm eine Warnung sein. Aber auch die Rolle von Rappaports innig geliebten Großvater Arnaud Delorme, der als Wirtschaftsboss Zeit seines Lebens zu den Reichen und Mächtigen des Landes zählte, wirft mehr als eine Frage auf.

Was als klassische Ermittlungsgeschichte beginnt, entpuppt sich bald als ein atmosphärisch dichter und mit souveräner Leichtigkeit erzählter Gesellschaftsroman über ein ganzes Land und unsere Gegenwart.

Berlin Verlag, 496 S., gebunden EUR 22,99

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Ein Kind Gottes


von Cormac McCarthy

Vierzig Jahre nach der amerikanischen Erstveröffentlichung ist Cormac McCarthys Roman "Ein Kind Gottes" nun endlich auch auf Deutsch erschienen!

Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Sie erzählt von einem verwahrlosten Mann, einem Outlaw, im Roman Lester Ballard genannt, der als Serienvergewaltiger durch das ländliche Tennessee zieht, seine Opfer ermordet, bevor er sich an ihnen vergeht, sie schließlich mit in eine Höhle schleppt.

Die Kunst McCarthys zeigt sich darin, dass die Verrohung des Protagonisten von ihm ganz emotionslos und nüchtern geschildert wird. Der Täter wird abwechselnd als knurriger Nachbar, als verfolgter Obdachloser, dann wieder als Raubtier, als radikal verwahrloster Höhlenmenschen  mit Hang dazu seine Opfer zu reißen, dann wieder als Verrückter, der zu rituellen Handlungen neigt, ein Nekrophiler, der die Opfer aufbewahrt.

Ist das Literatur mag man sich fragen, oder schon Splatter, denn was der Autor hier zu Papier bringt, ist starker Tobak. Es geht jedoch nicht um das was  beschrieben wird, sondern wie es McCarthy schreibt. Und das ist bei all dieser Düsternis des Frauenmordenden Nekorphilen Antiheldens eine Kunst. Das ganze noch auf weniger als 200 Seiten!

Rowohlt Verlag, kartoniert,  192 S., EUR 12,99

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Der Tag, als meine Frau einen Mann fand


von Sibylle Berg

Sibylle Berg überraschend kurzweilig, sarkastisch wie immer, zum Thema: Wirklich alles, was Sie schon immer über Sex wissen wollten.

Chloe und Rasmus sind seit fast zwanzig Jahren verheiratet, und ja, alles bestens, man hat sich entwickelt, man ist sich vertraut. Aber dass dieses Leben nun einfach so weitergehen soll, ist auch nicht auszuhalten. Rasmus will es noch einmal wissen: Eine neue Welt erobern, weit weg von zu Hause; zeigen, was er kann. Chloe ist immer bei ihm. Bis sie Benny trifft und sich noch einmal verliebt, wild und leidenschaftlich: Nicht an morgen denken, Sex die ganze Nacht, noch einmal jung sein, verdammt nochmal. Chloe erlebt den besten Sex ihres Lebens, und Rasmus die größte Katastrophe. Sibylle Berg stellt die Frage, die alle Paare irgendwann einmal beschäftigt: Ist Sex lebensnotwendig? Oder doch eher die Liebe?
Aus wechselseitiger Perspektive werden die Fragen scharfzüngig und sarkastisch wie immer bei Sibylle Berg aufgeworfen.

Hanser 256 S., gebunden EUR 19,90

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Das Fest der Bedeutungslosigkeit


von Milan Kundera

Milan Kunderas schmaler Roman über alternde Männer die in Paris spazierengehen und sich so ihre Gedanken machen,, über die Welt als ganzes und die Frauen im Besonderen.

Vier Männer streifen durch Paris, besuchen ein elegantes Fest, beobachten die erotischen Strategien ihrer Mitmenschen. Alain entwickelt komplizierte Theorien über die Lust der jungen Mädchen, den Bauchnabel zu zeigen. Ramon würde endlich gern die Chagall-Ausstellung besuchen. Charles erläutert Stalins Witze, bei denen niemals jemand lachte. Und Caliban, der Schauspieler ohne Rollen, erfindet eine eigene Sprache, über die nur er sich kaputtlachen kann – bis das junge portugiesische Hausmädchen ihn versteht.
Mit seinem ersten Roman nach vierzehn Jahren hat Milan Kundera das Porträt einer Epoche gezeichnet, die komisch ist, weil sie ihren Humor verloren hat.

Nach dieser langen Ruhepause hatte ich einen größeren Wurf erwartet.

Hanser Verlag, 144 S., gebunden EUR 16,90

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Judas - Roman


von  Amos Oz
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler

Das Leben des jungen Schmuel Asch ändert sich im Winter 1959 von Grund auf: Seine Freundin verlässt ihn, seine Eltern melden Konkurs an, und er muss sein Universitätsstudium abbrechen. Verzweifelt findet er Unterschlupf und Arbeit in einem alten Jerusalemer Haus als Gesellschafter für einen behinderten, rhetorisch gewandten Mann. Als Schmuel sein neues Domizil bezieht, begegnet er der schönen und aufregenden Atalja Abrabanel, die beinah doppelt so alt ist wie er. Sie macht ihm unumwunden klar, dass es besser wäre, sich nicht in sie zu verlieben, andernfalls würde er seinen Arbeitsplatz sofort verlieren, wie alle seine Vorgänger.
Die drei Protagonisten des Romans wohnen zurückgezogen in dem Steinhaus am Rand der Stadt, und zunächst scheint es, als führten sie ein ruhiges Leben. Im Innern des schüchternen und sensiblen Schmuel bricht ein Sturm los. Die Begierde nach Atalja und seine Neugier wandeln sich langsam in eine verzweifelte Verliebtheit. Er beginnt wieder sich mit seiner Forschungsarbeit über "Jesus in der Perspektive der Juden" zu beschäftigen und verliert sich in dem geheimnisvollen Sog, den Judas Ischariot, die Verkörperung des Verrats und der Niedertracht, auf ihn ausübt. Und allmählich entschlüsselt er die Geheimnisse, die in diesem dunklen und einsamen Haus geistern und in die seine Bewohner auf dunkle Art verstrickt sind.
In diesem Roman kehrt Amos Oz zum Milieu einiger seiner bekanntesten Bücher wie Mein Michael und Eine Geschichte von Liebe und Finsternis zurück, in das geteilte Jerusalem der fünfziger Jahre. Die zarte, wilde Liebesgeschichte ist eingebettet in die Landschaft der winterlichen Stadt und in die Ereignisse am Ende der Regierung Ben Gurion. Gemeinsam mit seinem Protagonisten prüft Oz mutig die Entscheidung, einen Judenstaat zu errichten, samt den Kriegen, die sie zur Folge hatte, und stellt die Frage, ob man einen anderen Weg hätte gehen können, den Weg derer, die als Verräter gelten.

Suhrkamp, 335 S., EUR 22,95

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Das Buch der Fälscher


von Charlie Lovett

Ein leidenschaftlicher Büchernarr, ein geheimnisvolles Manuskript, eine große Liebe

Nach dem tragischen Tod seiner geliebten Frau zieht sich Peter Byerly, Buchhändler und Antiquar, in ein kleines Cottage in einem verschlafenen walisischen Dorf zurück. Als ihm durch Zufall ein Manuskript mit handschriftlichen Notizen von William Shakespeare in die Hände fällt, scheint ein Traum wahr zu werden: Etwas Aufregenderes kann es für einen begeisterten Bibliophilen kaum geben. Aber ist es wirklich echt? Oder doch nur eine geschickte Fälschung? Gemeinsam mit der lebenslustigen Liz will er die Wahrheit herausfinden. Schon bald aber wird den beiden klar, dass es hier nicht nur um eine literarische Sensation geht
Die Lebensgeschichte von Peter und seiner früh verstorbenen Frau, sowie die Geschichte des Manuskriptes werden erzähltechnisch geschickt mit der Gegenwart verwoben, macht  Spaß zu lesen.

insel taschenbuch 4349, Broschur, 405 S., EUR 9,99

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Unterwerfung


von Michel Houellebecq
Roman aus dem Französischen von Norma Cassau, Bernd Wilczek.


Viel besprochen, durchaus auch kontrovers. Eine Satire oder mehr?

Goncourt-Preisträger Michel Houellebecq erzählt in "Unterwerfung" die Geschichte des Literaturwissenschaftlers François. Der Akademiker forscht im Frankreich einer sehr nahen Zukunft zu dem dekadenten Schriftsteller Huysmans, der ihn sein Leben lang fasziniert. Zugleich verfolgt er die Ereignisse um die anstehende Präsidentschaftswahl: Während es dem charismatischen Kandidaten der Bruderschaft der Muslime gelingt, immer mehr Stimmen auf sich zu vereinigen, kommt es in der Hauptstadt zu tumultartigen Ausschreitungen. Als schließlich ein Bürgerkrieg unabwendbar scheint, verlässt François Paris ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen. Es ist der Beginn einer Reise in sein Inneres.

DuMont, 272 S.,  Hardcover, EUR 22,99

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